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Aktionsbündnis Agrarwende: „Die SPD ist das größte Hindernis“

BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat über das neue Bündnis Agrarwende in Brandenburg, die Vermaisung der Landschaft, den Einfluss der Agrarindustrie, Massentierhaltung und Mängel beim Naturschutz

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Herr Kruschat, am Samstag wollen sie zusammen mit 19 anderen Agrar- und Naturschutzverbänden das Aktionsbündnis „Agrarwende Berlin-Brandenburg“ gründen. Wieso?

Wir wollen, wie der Name Agrarwende schon sagt, einen Umbau in der Landwirtschaft. So wie sie jetzt ist, bringt sie große Risiken mit sich. Sie funktioniert eigentlich nur auf Grundlage eines hohen Energieverbrauches und großer Importmengen von Futter und Düngemitteln. Gleichzeitig werden die Überschüsse exportiert, oft als Billigimporte, und zerstören dann in weniger gut entwickelten Regionen der Welt die Versorgungsstrukturen. Die natürlichen Ressourcen wie Wasser, Bodenfruchtbarkeit und Artenvielfalt werden beeinträchtigt. Außerdem haben wir natürlich die Konzentrationsprozesse zu beobachten, die zum Rückgang kleinbäuerlicher Strukturen führen. Das Flächeneigentum konzentriert sich in wenigen Händen.

Massentierhaltung beenden, Landnahme von landwirtschaftsfremden Investoren stoppen – sind die Länder bei vielen Ihrer Forderungen nicht die falschen Ansprechpartner?

Eine wichtige Möglichkeit, die Landwirtschaft zu beeinflussen ist natürlich die Förderung in der ersten und zweiten Säule der EU-Agrarförderung. Die erste Säule sind die Direktzahlungen an die Betriebe pro Hektar. Die zweite Säule sind Förderprogramme wie das ILE-Programm, integrierte ländliche Entwicklung nennt sich das. Damit werden Investitionen in die ländliche Infrastruktur gefördert. Dazu gehören die Agrarumweltmaßnahmen aber auch der ländliche Wegebau, also etwa neue Radwege für die touristische Entwicklung. Die Länder entscheiden zu einem guten Teil mit, wie viel aus der ersten Säule in die sogenannte zweite Säule geht. Die EU hat gesagt, bis zu 15 Prozent können aus der ersten Säule in die zweite umgeschichtet werden. Im Bundesrat aber haben sich die Länder darauf verständigt, nur 4,5 Prozent in die zweite Säule zu geben.

Warum ist das Geld aus Ihrer Sicht dort besser angelegt?

In der ersten Säule handelt es sich um Zahlungen, die nicht an gemeinwohlorientierte Leistungen gebunden sind. Dieses System hat sich nicht bewährt, deshalb muss man einen größeren Teil des Geldes in die zweite Säule geben.

Wie will das Aktionsbündnis Einfluss nehmen? Was für Aktionen schweben Ihnen vor?

Wir werden unsere Forderung weiter ausarbeiten. Das Neue ist, dass sich nicht nur der Naturschutz oder die Anbauseite artikuliert, sondern dass sich Verbraucher, Landwirte und Naturschützer zusammengefunden haben und ein gemeinsames Leitbild für eine Agrarwende entwickeln. Wir werden die Forderungen an die Politik herantragen, auch an den Begleitausschuss, der die EU-Förderung im Land Brandenburg betreut und wir werden natürlich weiter öffentliche Aktionen machen. Auf der kommenden bundesweiten Grüne Woche-Demo werden wir als Brandenburg-Block auftreten. Jährlich kommen zu den Demos zwischen 20 000 und 25 000 Leute. Und dann werden wir auch an den Brennpunkten der Massentierhaltung in Brandenburg, wie Hassleben, demonstrieren und uns im Landtagswahlkampf zu Wort melden.

Sie werfen der EU-Agrarpolitik vor, Gelder zu verschwenden und mittlerweile mehr Schaden als Nutzen zu verursachen. Können Sie Beispiele nennen?

Aus Naturschutzsicht haben wir die Entwicklung der Vermaisung der Landschaft zu beklagen, also den zunehmenden Anbau von Mais. Erst vor Kurzem haben wir die Ergebnisse unserer Pestizidproben veröffentlicht. Das Ausmaß der Belastung ist besorgniserregend. Da wo wir Proben machen, finden wir auch etwas. Das gilt landesweit. Wir haben außerdem einen Rückgang der Biodiversität durch die EU-geförderten Mais-Monokulturen zu verzeichnen. Man hat in Brandenburg zwar Erfolge bei Flaggschiffarten wie etwa der Großtrappe und dem Kranich erzielt, aber bei vielen Arten der Kulturschaften, wie der Feldlerche, gehen die Zahlen zurück. Untersuchungen des Landesumweltamtes haben ergeben, dass 3000 der insgesamt 6000 für Brandenburg ermittelten Arten gefährdet sind. Also die Hälfte.

Ein Ziel der jüngsten EU-Agrarreform war es gerade, die Landwirtschaft in Europa umweltverträglicher zu gestalten. Hat Europa versagt?

Es hat sich jedenfalls nicht viel getan. Der Einfluss der Agrarindustrie ist einfach zu groß. Das ist nicht nur bei Naturschutzfragen der Fall, sondern auch bei der Frage der Staffelung der Direktzahlungen. Das Ziel, Kleinbetriebe besser zu unterstützen, ist nicht erreicht worden, weil keine Kappungsgrenzen eingeführt worden sind.

Derzeit verhandeln die Landwirtschaftsminister der Länder über die nationale Umsetzung der Reform. Demnach sollen Landwirte einen bundeseinheitlichen Zuschlag in Höhe von 50 Euro je Hektar für die ersten 30 Hektar bekommen. Für weitere 16 Hektar erhalten die Landwirte jeweils 30 Euro. Ein guter und fairer Kompromiss meint Brandenburgs SPD-Agrarminister Jörg Vogelsänger. Sehen Sie das auch so?

Das sehe ich nicht so. Die Förderung wird ja geringer pro Hektar, so dass nur eine Nichtschlechterstellung erreicht wurde. Damit wird also keine zusätzliche Förderung von Kleinbetrieben angeschoben, sondern die Kürzungen fallen nur etwas geringer aus auf den ersten 46 Hektar, egal ob groß oder klein.

Was hätte passieren müssen?

Es hätte eine klare Kappung der Direktzahlungen für Großbetriebe geben müssen und das eingesparte Geld hätte kleineren Betrieben zur Verfügung gestellt werden oder in die zweite Säule umgelagert werden müssen. Großbetriebe haben die Möglichkeiten, mit Monokulturen zu arbeiten, sie können viel leichter und günstiger Düngemittel und Pestizide in großen Mengen einkaufen. Kleinbäuerliche Strukturen sind dagegen eher offen für regionale Vertriebswege und für Agrarumweltmaßnahmen.

Der Anstieg bei den Anträgen auf Anlagen zur Massentierhaltung in Brandenburg ist beeindruckend. Allein bei den Legehennen hat sich die Zahl der neu genehmigten Tierplätze seit 2009 mehr als verdoppelt. Was kann die brandenburgische Landesregierung dafür?

Die Landesregierung muss sich Strategien überlegen, wie sie entgegensteuern kann. Das geht in anderen Ländern doch auch. Viele Investoren kommen zum Beispiel aus Niedersachsen, weil sie dort ihre Pläne nicht mehr umsetzen können. Meiner Ansicht nach gibt es viele Ansatzpunkte, angefangen vom Baurecht über das Naturschutzrecht bis hin zur Raumplanung. Aber leider fehlt in Brandenburg dazu ganz eindeutig der politische Wille. Dabei sind die negativen Auswirkungen der Massentierhaltung enorm. Zum Beispiel gibt es selbst in Anlagen Probleme, in denen die Tierschutzauflagen eingehalten werden. Sogar in großen Ökobetrieben wurden zuletzt haltungebedingte Verletzungen bei den Tieren festgestellt. Es gibt aber auch noch viele andere Argumente gegen die Massentierhaltung. Zum Beispiel die Tonnen von Gülle, die regelmäßig auf den Feldern ausgebracht werden und zu erheblichen Grundwasserproblemen führen können. Selbst wenn die Gülle in einer Biogasanlage verwertet wird, kommen die Reststoffe später aufs Feld. Die Kohlenwasserstoffe wurden damit zwar herausgenommen, aber sie haben immer noch den Stickstoff, den Phosphor und vor allem die Antibiotika.

Mit dem Präsidenten des Landesbauernverbandes Udo Folgart sitzt ein Befürworter großer agrarindustrieller Strukturen in der SPD-Landtagsfraktion. Halten Sie eine Agrarwende in Brandenburg mit der SPD überhaupt für möglich?

In der momentanen Konstellation nicht. Wäre die SPD dazu bereit, bräuchten wir auch das Bündnis nicht. Derzeit aber ist die SPD in Brandenburg das größte Hindernis für eine umweltverträglichere und effizientere Landwirtschaft.

Das Interview führte Matthias Matern

Axel Kruschat (43) ist seit 2003 Geschäftsführer des Bundes für natur- und Umweltschutz Deutschland (BUND) in Brandenburg. Zum BUND kam der Verwaltungswissenschaftler 1996.

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