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Brandenburg: „Die Spuren der Krise sind tief“

Brandenburgs Finanzminister Speer über größere Steuerausfälle und den gescheiterten Kauf der ILB

Stand:

Herr Speer, die Wirtschaft bricht ein, in Brandenburg sinkt der Umsatz in der Exportwirtschaft um mehr als 23 Prozent, Sie selbst rechnen nach der jüngsten Steuerschätzung für die Jahre 2009 und 2010 mit insgesamt einer Milliarde Euro geringeren Steuereinnahmen als geplant für das Land und die Kommunen. Wie tief ist der Abgrund, in den wir da rauschen?

Wenn sich die Wachstumsprognose von minus 6 Prozent tatsächlich bestätigt, handelt es sich um die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik. Entsprechend tief werden die Spuren der Krise in den öffentlichen Kassen sein.

Aber wie genau kann mitten in dieser historischen Krise eine solche Schätzung überhaupt sein?

Eine Prognose ist selten genau. Aber in diesem außergewöhnlichen Jahr sind die Unsicherheiten besonders groß. Im letzten November gingen die Steuerschätzer von einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent für 2009 aus. Als im Februar die Deutsche Bank ein Minuswachstum von 5 Prozent meldete, wurde ihr noch der Vorwurf der Schwarzmalerei gemacht. Jetzt lautet die offizielle Prognose der Bundesregierung bereits minus 6 Prozent. Deshalb sehe ich die aktuelle Steuerschätzung eher als Momentaufnahme in einem von extremer Unsicherheit geprägten Umfeld. Dass wir mit erheblichen Steuerausfällen rechnen müssen, steht aber fest. Wir wissen, dass wir bis Ende April rund 10 Prozent weniger Steuereinnahmen in Brandenburg hatten als im Vorjahr.

Wenn die Schätzungen derart nebulös, die Aussichten derart unklar sind, welche Aussagekraft haben die Zahlen der Steuerschätzer dann überhaupt und worauf stützen Sie dann ihre Haushaltspolitik?

Die Aussagekraft ist begrenzt. Wir werden abwarten müssen, wie das Jahr wirklich läuft. Am Jahresende sind wir klüger. Dann wird die neue Landesregierung sich auch über den Haushalt 2010 beugen müssen. Für 2009 hat Brandenburg einen beschlossenen Haushalt, der die Basis unserer Finanzpolitik ist. Er schreibt fest, wofür das Land Geld ausgeben kann – und wie viel. Die Steuerschätzung ändert daran nichts.

Sie bleiben also bei ihrer Einschätzung, dass Brandenburg ohne Nachtragshaushalt auskommen wird?

Derzeit brauchen wir keinen Nachtragshaushalt. Uns stehen die Kreditlinien aus dem Doppelhaushalt 2008/2009 noch in voller Höhe zur Verfügung. Das sind zusammen 315 Millionen. Euro. Außerdem haben wir im letzten Jahr einen leichten Überschuss von gut 140 Millionen Euro erwirtschaftet. Den haben wir als Konjunkturreserve zurückgelegt. Wir werden in diesem Jahr den Haushalt auf Sicht fahren. Ob wir Maßnahmen ergreifen müssen, werden wir nach der Novembersteuerschätzung sehen. Derzeit ist das aber nicht nötig.

In dieser Woche haben in Potsdam Kita-Erzieherinnen und Polizeibeamte aus dem Land für bessere Bezahlung und bessere Ausstattung demonstriert, Innenminister Jörg Schönbohm hat im Landtag den Beförderungsstau in der Polizei eingestanden und den Abbau versprochen. Können Sie noch irgendwelche dieser Forderungen erfüllen, ist noch irgendjemandem zu helfen?

Wir wollen die Qualität der Kitas in den nächsten Jahren weiter erhöhen und den Betreuungsschlüssel verbessern. Schon in dieser Wahlperiode hat Brandenburg Jahr für Jahr mehr Geld für Kitas ausgegeben. Ich bin als Finanzminister für die Beförderungen in den Finanzämtern zuständig, nicht bei der Polizei. Fragen Sie dazu den Innenminister. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir in diesem Jahr einem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst zugestimmt haben, der 3 Prozent mehr Gehalt in diesem und 1,2 Prozent mehr im nächsten Jahr vorsieht. Diesen wollen wir wirkungsgleich auf die Beamten – also auch die Polizisten – übertragen. Das ist ein faires Ergebnis. Für die aktuellen Proteste habe ich deshalb kein Verständnis.

Auf Bundesebene werden nun im Wahlkampf ständig neue Forderungen nach Hilfen für die Wirtschaft und Steuersenkungen laut. Ist dafür auf absehbare Zeit noch Spielraum?

Mit den Konjunkturprogrammen unterstützen wir Wirtschaft und Bürger bereits in erheblichem Umfang. Das ist auch richtig und vertretbar, damit wir möglichst schnell aus der Krise herauskommen. Für Steuersenkungen, die vor allem von CDU, CSU und FDP gefordert werden, sehe ich überhaupt keine Spielräume. Teilweise fordern jetzt dieselben Leute massive Steuersenkungen, die gerade vorher noch lautstark für ein strenges Verschuldungsverbot des Staates eingetreten waren – ich halte das für völlig abstrus. Einige leben da offenbar in einer Scheinwelt. Wenn man – gerade in der Krise – einen handlungsfähigen Staat will, muss man die Einnahmen stabilisieren, und nicht weiter erodieren. Ich bin mir sicher, dass die Bürger das verstehen werden.

Mitten in der Krise haben Sie der NRW-Bank ein Kaufangebot für deren 50-Prozent-Anteil an der Förderbank des Landes Brandenburg, der ILB, unterbreitet. Warum ist ausgerechnet dafür denn Geld da und wie viel will sich Brandenburg die halbe Bank kosten lassen?

Das hat mit der Krise nichts zu tun. Wir reden darüber schon seit längerem. Die NRW-Bank erwog, sich von ihren Anteilen an unserer ILB zu trennen. Ich habe daraufhin ein Angebot gemacht und auf der Grundlage kam es nicht zu einer Einigung. Das ist für beide Partner aber in Ordnung. Es bleibt nun alles wie es ist, die NRW-Bank wird ihre Anteile behalten. Über Zahlen rede ich in diesem Zusammenhang nicht.

Die Fragen stellte Peter Tiede

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