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Brandenburg: Die Träumer von Grabowsee

Eine Initiative will aus der alten Lungenheilstätte bei Oranienburg ein alternatives Bildungsprojekt machen. Aber dafür fehlt eine Riesenmenge Geld

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Oranienburg - In der Nähe von Oranienburg, mitten im Wald, liegt die ehemalige Lungenheilstätte am Grabowsee. Vier Klappstühle stehen im Kreis auf dem kleinen Hof, daneben parkt ein Trabi. An einem Faden baumelt eine große Weltkugel im Wind. Bernhard Hanke kommt herangelaufen, öffnet das Schloss am Zaun und erzählt auch schon von den Plänen für das verlassene Gelände: „Wir wollen hier Bildungswege abseits des Üblichen gehen.“ Mit „Wir“ meint der 54-Jährige mit dem braunen Filzhut auf dem Kopf alle jungen und alten Mitstreiter rund um den Verein Kids Globe, unter ihnen Studenten, Künstler und Wissenschaftler.

Bereits vor zehn Jahren hat Kids Globe die Idee entwickelt, auf dem über 30 Hektar großen Waldgelände eine internationale Bildungsakademie für Kinder und Jugendliche zu errichten. Die Vision: Aus den über 30, teilweise verfallenen Backsteingebäuden der ehemaligen Heilanstalt werden Lernräume, Bibliotheken und Ateliers. Hinzu kommen Lerngärten auf dem Waldgelände und eine Forschungsstation am Seeufer. Gedacht ist die Akademie als Ergänzung zum normalen Unterricht.

Doch damit am Grabowsee Kinder aus aller Welt lernen können, braucht es vor allem viel Geld. Kids Globe will das Gelände dem Eigentümer, einem Berliner Geschäftsmann, für zehn Millionen Euro abkaufen und in eine Stiftung überführen. Weitere 40 bis 50 Millionen kostet die Komplettsanierung. Angesichts dieser Summen hält die Stadt Oranienburg das Projekt für gescheitert. „Mein Herz gehört den Träumern. Aber in diesem Fall ist leider nichts passiert“, sagt Hans-Joachim Laesicke, Bürgermeister von Oranienburg. Er würde es befürworten, wenn ein zukünftiger Eigentümer auf dem Gelände Wohnraum schafft.

Von solchen Ansagen lässt sich Bernhard Hanke aber nicht entmutigen: „Das Vorhaben muss rein in die Gesellschaft.“ Den ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog und den Trompeten-Virtuosen Ludwig Güttler konnte Hanke bereits als Unterstützer gewinnen. Und er rührt weiter kräftig die Werbetrommel. Jedem Besucher erzählt er beim Rundgang über das Gelände von Kids Globe. Auch ist er mit Bildungs- und Forschungseinrichtungen wie der Freien Universität Berlin, dem Max-Planck-Institut oder der Filmhochschule Babelsberg im Gespräch, es sollen Partnerschaften entstehen. Für besonders viel Marketing hat der Schauspieler George Clooney gesorgt, der die Heilanstalt vor zwei Jahren als Kulisse für seinen Film „Monuments Men“ nutzte.

Aus Schülern begeisterte Entdecker und Gestalter machen, darum geht es Hanke. Das verwilderte Gelände mit den verlassenen Räumen und dem bröckelnden Putz scheint ihm für diese Mission genau der richtige Ort zu sein. Mit über 200 Betten war die Lungenheilanstalt die erste ihrer Art in Norddeutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente sie der Roten Armee als Station. Seit mehr als 20 Jahren liegt das Gelände brach.

Geht es nach den Initiatoren, können schon nächstes Jahr Gruppen von jeweils 30 Schülern aus der Umgebung tagsüber bei kleineren Arbeiten an den Gebäuden mithelfen. Dazu sind Workshops geplant. Kids Globe setzt nicht nur auf Lehrer, sondern auf alle, die eine spannende Idee haben. In drei Jahren dann sollen am Grabowsee über 100 Kinder aus aller Welt zusammen lernen und für einige Wochen auch über Nacht bleiben. Das Bildungsprogramm umfasst dann eine internationale Küche, ein Büro für Demokratie oder ein Zentrum für Unternehmertum. Kosten soll die Akademie die Jugendlichen wenn möglich nichts.

Vom Lernen nur aus Büchern hält Bernhard Hanke nicht viel. Das Thema trifft einen Nerv. Bildungskritiker mahnen seit Jahren an, dass es in der Ausbildung zu stark um Auswendiglernen und reine Wissensvermittlung gehe. „Bildung braucht Platz“, ist Hanke überzeugt. Er hat Erfahrung mit Räumen, die Kinder zum Ausprobieren anregen. Zuvor hat der gelernte Landschaftsgärtnermeister den „Tollplatz“, Freiburgs größten Spielplatz, geschaffen. Das Konzept hat Hanke zusammen mit Architekten, Stadtplanern und Pädagogen erarbeitet. Und auch die Vereinsmitglieder von Kids Globe bringen sich regelmäßig ein. An den Wochenenden streifen sie sich die Bauhandschuhe über und werkeln an den Gebäuden. Eine Crowdfunding-Kampagne hat über 1000 Euro eingebracht. Noch lässt der Eigentümer den Verein gewähren, denn immerhin weiß er das Gelände bei dem engagierten Team in guten Händen.

Dass das Projekt letztendlich doch scheitern könnte, steht für Hanke nicht zur Debatte. „Wir müssen in diesen Dimensionen denken, sonst wird das nichts“, ist er hingegen überzeugt. Aber eigentlich geht es auch gar nicht ums Fertigwerden, sondern ums Machen: „Natur und Umwelt sind ja auch nie fertig.“

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