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Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Die Verfolger im Nacken

Noch ist Brandenburg beim Öko-Strom bundesweit Spitze, doch der weitere Ausbau ist schwierig

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Potsdam/Berlin - Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) will den Ausbau erneuerbarer Energien stärker vorantreiben als bislang vorgesehen. Als neue Zielmarke gab er einen Anteil von „20plus“ statt bislang 20 Prozent am Primärenergieverbrauch bis 2020 aus. Regierungsintern war bereits von 25 bis 26 Prozent die Rede.

Anlass für den Vorstoß war die Verleihung des „Leitstern“ 2010 der Agentur für erneuerbarer Energien an das Land Brandenburg, das erneut als Gesamtsieger aus einem vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erstellten Ländervergleich hervorging. Platzeck sagte: „Wir sind jetzt bei einem Anteil von 16 Prozent. Und wir haben ein energisches Ziel: Wir schaffen 20plus bei den Erneuerbaren. Brandenburg schafft mehr für den Klimaschutz.“

Tatsächlich konnte Brandenburg der Studie zufolge seine Spitzenposition weiter ausbauen. Dass Platzeck sich nicht auf ein konkretes Ziel beim Ausbau festlegte, hat auch mit regierungsinternen Differenzen bei der Ausweitung von Windenergieflächen zu tun und mit Unwägbarkeiten für die Braunkohleverstromung. Seit Sommer ringen das von Ralf Christoffers geführte Wirtschaftsressort und das Umweltministerium von Anita Tack (beide Linke) um neue Kriterien für Abstände von Windparks zu Schutzgebieten und Rastplätzen seltener Vögel. Erklärtes Ziel von Rot-Rot ist aber, die geeigneten Flächen massiv auszuweiten, wozu die Abstandsregeln aufgeweicht werden müssen. Weil bislang keine Einigung vorliegt, musste Christoffers auch die Neuauflage der Energiestrategie auf nächstes Jahr verschieben. Erst kurz vor der Sommerpause 2011 werde das Papier vorliegen, räumte der Minister jüngst ein.

Besonders hoch bewerteten DIW und ZSW bemerkenswerterweise die Akzeptanz gegenüber der Politik im Bereich erneuerbarer Energien. Brandenburg weise im Ländervergleich die „höchste Zufriedenheit in der Bevölkerung“ auf, heißt es im Bericht. Dabei sorgt der Ausbau der Windkraft nicht nur für Spannungen im Kabinett, sondern auch für Proteste bei Bürgern, die sich gegen die zunehmende Verspargelung ihrer Gemeinden auflehnen. Zur Landtagswahl 2009 ging sogar ein Zusammenschluss von Bürgerinitiativen mit diesem Thema in den Wahlkampf, scheiterte aber an der Fünf-Prozenthürde.

Unter Druck steht Christoffers auch wegen seines Einsatzes für die CCS-Technologie, der Abscheidung und unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid, an deren Umsetzung laut Koalitionsvertrag die weitere Braunkohleverstromung im Land hängt. Bei den rot-roten Energiezielen spielen Kohlekraftwerke mit möglichst geringer CO2-Emission jedoch eine maßgebliche Rolle. Bislang deckt die Kohle noch die Hälfte des Primärenergieverbrauchs im Land ab, zeigt die Studie. Gute Noten erhält Brandenburg dagegen für die zunehmenden Verstromung von Biogas. Gelobt wird auch die Breite der Förderprogramme und die Höhe der Ausgaben im Bereich Forschung. Nachholbedarf sehen DIW und ZSW dagegen bei der Nutzung der Geothermie und der Photovoltaik (PV). Während das zweitplatzierte Thüringen zwischen 2005 und 2009 die Ausschöpfung seines PV-Potenzials um rund zwei Prozent steigern konnte, waren es in Brandenburg nur 1,04 Prozent. Bayern, in der Gesamtwertung von Platz drei auf sieben abgerutscht, kommt sogar auf eine Steigerung seines PV-Potenzials um 10,8 Prozent. Angesichts der dynamischen Entwicklung Thüringens, das 2008 noch auf Platz zehn landete, und der Schwierigkeiten im eigenen Land, bezweifeln Experten bereits, dass das Land Brandenburg 2012 der Hattrick gelingen könnte und den Leitstern erneut erhält. Vor allem für die Ansiedlung von Unternehmen müsse das Land mehr tun, steht im Bericht.

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