Von Thorsten Metzner: Dienstwagenaffäre: Für Rupprecht wird es eng
Nach Urlaubs-Testfahrt geht Gewerkschaft auf Distanz – und am Bildungsetat wird der Rotstift angesetzt
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Potsdam - In der Dienstwagenaffäre hängt das politische Schicksal des brandenburgischen Bildungsministers Holger Rupprecht am seidenen Faden. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hält vorerst an dem 58-jährigen früheren Potsdamer Schuldirektor fest, nachdem sich dieser für den Gratistest eines 100 000 Euro teuren BMW im österreichischen Skiurlaub öffentlich entschuldigt und dies eine „Blödheit“ genannt hat.
Die unmittelbar bevorstehende Aufnahme staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen gegen Rupprecht wegen des Verdachts der Vorteilsnahme im Amt – zuständig ist die Neuruppiner Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruption – löst in der rot-roten Koalition gleichwohl Nervosität aus. Die Sorge nimmt zu, dass, wie jüngst bei Ex-Innenminister Rainer Speer, wieder eine Affäre wochenlang Negativschlagzeilen auslöst und etwa die von Platzeck gerade angestoßene Debatte zum Umbau Brandenburgs bis 2030 überlagert. „Die Entscheidung fällt in den nächsten zwei Tagen“, hieß es am Sonntag in Führungskreisen der Koalition.
Unterdessen geht nach dem Landesschülerrat auch die mächtige Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), in der die meisten Lehrer organisiert sind, auf Distanz. Rupprecht müsse „sich fragen, ob er noch vor die Lehrerschaft treten kann“, erklärte GEW-Landeschef Günther Fuchs, der einen Bogen von Privilegien des Ministers zum Spardruck im Bildungswesen spannte. Die Lehrer, so Fuchs, seien „wütend, dass der Dienstherr Wasser predigt und selbst Wein trinkt“. Rupprecht steht bei der eigenen Klientel ohnehin unter Druck, weil er nach den jüngsten Beschlüssen des rot-roten Kabinetts im Haushalt für 2012 erstmals rund 28 Millionen Euro einsparen muss. Er müsste angeschlagen in diese Auseinandersetzung gehen.
Für die Opposition, die Rupprechts Rücktritt verlangt, ist mit Korruptionsermittlungen gegen den Minister die Grenze überschritten. Als Dienstherr von rund 20 000 Lehrern, als Verantwortlicher für 250 000 Schüler sei dies unausweichlich, hieß es am Wochenende übereinstimmend bei CDU, FDP und Grünen.
Einige Hintergründe der Affäre, wegen der Platzeck nun die Dienstwagenrichtlinie der Regierung verschärfen, zumindest aber Privatfahrten ins Ausland untersagen will, sind trotz der Beichte Rupprechts unklar. Als Beweggrund für den getesteten Oberklasse-BMW hatte er angegeben, dass er viel unterwegs sei, aus Sicherheitsgründen ein Allradfahrzeug anschaffen wolle. In der Dienstwagenflotte der rund 20 Minister und Staatssekretäre Potsdams fahren bereits sechs Allradwagen – allerdings andere Marken mit schwächerer Motorisierung.
Platzeck steckt im Dilemma. Mit Rupprecht verlöre er nach Speer und der „Superministerin“ Jutta Lieske seit Beginn der Legislatur das dritte SPD-Kabinettsmitglied. Und die Personaldecke ist extrem dünn.
Bildungsexpertin und Vizeparteichefin Klara Geywitz, die Rupprecht ersetzen könnte, wird gerade Mutter von Zwillingen. Infrage käme auch Wissenschaftsstaatsekretär Martin Gorholt, der früher Bildungsstaatssekretär war und jede Schule im Land kennt. Ein Wechsel würde aber Wissenschaftsministerin Martina Münch (SPD) schwächen. Doch Platzeck ist für Überraschungen gut.
In der Not könnte seine Wahl auch auf GEW-Chef Günther Fuchs fallen.
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