Brandenburg: Doppelschlag aus der Lausitz
Braunkohlegegner und Vattenfall-Beschäftigte waren gestern im Landtag – aufeinander trafen sie nicht
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Potsdam - Die Wege aus der Lausitz trennten sich gestern erst wenige Meter vor dem Ziel für die beiden Gruppen, die den brandenburgischen Landtag mit ihren Forderungen aufsuchten. Einwohner aus den Ortsteilen von Schenkendöbern, denen die Vernichtung durch die Riesenbagger droht, hatten sich mit den Unterschriften der Volksinitiative gegen neue Tagebaue in einen Reisebus gesetzt. Beschäftigte der Vattenfall-Kraftwerke, darunter viele junge Mitarbeiter, waren angereist, um für das genaue Gegenteil, die Zukunft der Braunkohleverstromung, zu werben.
„Sauber getrennt“, sagte der verantwortliche Polizeikommissar, als dann die jeweils gut 40 Personen starken Delegationen ihren Platz gefunden hatten – die Braunkohlegegner an der Autoauffahrt des Parlaments, die Arbeiter aus Jänschwalde, Boxberg und Schwarze Pumpe am Aufstieg für die Fußgänger. Ein Haus des Dialogs und des Meinungsstreits war der Landtag an diesem Donnerstag nun wahrlich nicht – die Lausitzer mit den so unterschiedlichen Ansichten bekamen sich noch nicht einmal zu Gesicht.
Auch Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) war sichtlich zufrieden, dass die ganze Angelegenheit so ohne jede Art der Konfrontation über die Bühne ging. Dabei war aus den beiden Gruppen übereinstimmend „Wir hätten doch einander nichts angetan“ zu hören. Die Stimmung war so überaus friedlich an diesem sonnigen Morgen, dass nur die diskret, aber unübersehbar aufmarschierte Polizei fehl am Platze schien.
Die Vattenfaller hatten, nicht nur was die Zeit betraf, bei Fritsch den Vortritt. Ihnen ging er entgegen und sie verabschiedete er auch. Und obwohl er für beide Anliegen so ziemlich die gleichen Worte wählte, machten er unüberhörbar seine größere Sympathie für die Männer aus den Kraftwerken deutlich. Man könne doch nicht so unfair sein, den Brandenburgern ihren extrem hohen Pro-Kopf-Ausstoß an schädlichen Treibhausgasen vorzuhalten, sagte er auch zu denen, die einen effektiven Klimaschutz einfordern. Und dann rutschte ihm auch noch ein doppeldeutiger Satz über Volksinitiativen raus, „die in Mode zu kommen scheinen“.
In Atterwasch, Kerkwitz und Grabko hatten einige Frauen extra einen Tag Urlaub genommen, um in Potsdam mit dabei sein zu können. „Sicher gibt es auch welche, die schon resigniert haben, aber die Mehrheit wird kämpfen“, sagte eine von ihnen. Angeführt wurden sie vom Schenkendöberner Bürgermeister Peter Jeschke. Stolz sind sie, dass die Unterschriftensammlung in der Region am allerbesten vorankam. „Wir stoßen überall auf Zustimmung, gerade in der Lausitz“, hieß es wieder und wieder. Geprägt wird der Widerstand, zumindest was die Reisenden nach Potsdam betrifft, von Frauen. Wenn die Offiziellen erst mal ihre Statements abgegeben haben, haben sie das Sagen. Und ihre Botschaft ist klar. Sie wollen sich nicht einfach fügen, nur weil eine Regierung das von ihnen verlangt. Inzwischen sind sie auch einigermaßen in den Diskussionen um die zukünftige Energiepolitik zu Hause. Sie kennen all die von Wissenschaftlern vorgetragenen Argumente gegen das von Vattenfall angestrebte Verfahren zur Abscheidung und Speicherung der Treibhausgase. Sie wissen, dass mit dem Scheitern dieser Pläne ihre Dörfer gerettet wären. Sie wollen bleiben, nicht nachgeben. „Viele unserer Familien leben hier schon seit Generationen und jetzt kommen endlich auch die ersten der jungen Leute zurück, die in den letzten Jahren gegangen waren“, sagen sie und halten die selbstgebastelten Transparente hoch.
Die Front für die Kraftwerke ist eher eine Männersache – und sie ist jung. Die Auszubildenden von Vattenfall, die nach Potsdam gekommen waren, tragen umgekehrt die nicht weniger klugen Einwände vor, die Gefahren für eine sichere Stromversorgung thematisieren, wenn Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollten. Mit dem Ausstieg aus der Braunkohle wäre ihre ganze Lebensplanung in Gefahr. Dass sie als bestens ausgebildete Facharbeiter der geburtenschwachen Jahrgänge immer Arbeit finden würden, wissen sie auch. „Aber wir wollen bleiben“, heißt es bei ihnen wörtlich übereinstimmend mit den bedrohten Dorfbewohnern.
„Wir wollten unbedingt mit nach Potsdam, weil es um unsere Zukunft geht“, sagt einer. Die Vattenfall-Delegation, von Gewerkschaftsfunktionären begleitet; natürlich bestens organisiert und einheitlich rot bemützt, wirkt auf den ersten Blick etwas weniger spontan, weniger vielfältig. Aber im Gespräch wird schnell deutlich, dass auch bei den Kraftwerkern nicht vorgestanzte Meinungen bestimmen. Sie wägen ab, suchen sich zur Verteidigung ihrer Interessen nur die besten Argumente, reden nicht in erster Linie von sich selbst, sondern von dem aus ihrer Sicht notwendigen volkswirtschaftlichen Beitrag, den sie erbringen.
Leicht zeitversetzt ist nach gut einer Stunde das Feld in Potsdam wieder geräumt von den Lausitzern. Die machen sich vor der Rückfahrt noch auf in die Fußgängerzone zum Eis essen und vielleicht auch das eine oder andere einzukaufen. Wenn sie sich über den Weg laufen in der Landeshauptstadt würden sie sich wohl kaum erkennen.
Wenige hundert Meter vom Landtag entfernt sitzen die inzwischen weltweit renommierten Potsdamer Klimaschützer. Da hatte man natürlich auch anklopfen und den Streit der Meinungen und Interessen auf einem für beide Seiten interessanten Niveau austragen können. Aber auch an diesem Tag konnte man sich nicht ganz des Eindrucks erwehren, dass das offizielle Potsdam ganz froh ist, wenn es die Lausitzer Braunkohlequerelen möglichst schnell wieder los ist.
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