Anschlag-Serie: Drei Brandsätze in Brandenburg gefunden - einer hatte gezündet
UPDATE. Allein im Havelland wurden am Mittwoch drei Brandsätze an Bahngleisen entdeckt. einer der Brandsätze hatte bereits gezündet - einen Brand gab es aber nicht. Die Bahnstrecke Richtung Wolfsburg wurde gesperrt. Zuvor waren in Berlin schon zwei weitere Brandsätze entdeckt worden.
- Matthias Matern
- Klaus Kurpjuweit
- Peter Tiede
- Carmen Schucker
- Lars von Törne
Stand:
Berlin/Potsdam - In Brandenburg und Berlin sind weitere Brandsätze an Bahnstrecken gefunden worden - einer davon ist nach Angaben der Polizei explodiert. Insgesamt wurden am Mittwoch allein an der Bahntrasse zwischen Wustermark und Berlin-Staaken drei Brandsätze gefunden worden; weitere lagen in Berlin. Nach PNN-Informationen lag der gezündete Brandsatz an der ICE-Trasse bei Dallgow-Döberitz (Havelland) kurz vor der Berliner Stadtgrenze. Wann der Brandsatz gezündet habe, sei noch unklar, so ein Polizeisprecher gegenüber pnn.de. Die Überreste wurden am Mittwoch nahe dem Bahnhof Staaken im Westen Berlins gefunden. Dort lag auch noch ein weiterer Brandsatz. Die Polizei schloss am Mittwoch nicht aus, dass es noch weitere bisher nicht entdeckte, mit Benzin gefüllte Flaschen gibt. Verletzt wurde niemand.
Ein Polizeisprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Es gab einen Brandsatz, der in irgendeiner Weise irgendwie gezündet hat.“ Das könnte aber auch schon am Montag oder Dienstag der Fall gewesen sein. Derzeit gebe es keinen Brand, und es sei niemand verletzt worden. Auch zwischen den Berliner Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz lag ein Brandsatz, der am Vormittag von Bundespolizisten gefunden wurden. Die Bahn teilte mit, der Verkehr sei wegen der Polizeieinsätze an beiden Orten unterbrochen. Fern- und Regionalzüge nach Westen und die S-Bahn im Süden werden umgeleitet.
Die Sicherheitsbehörden vermuten die Täter in linksextremistischen Kreisen. Die Polizei geht davon aus, dass alle Brandsätze gleichzeitig deponiert wurden und seitdem nach und nach entdeckt werden. Seit den ersten Funden am Montag suchten die Bahn und die Bundespolizei verstärkt alle Gleisanlagen ab.
Mehrere Brandsätze wurden bisher in der Nähe des Hauptbahnhofes und an Gleisanlagen im Norden, Westen, Südosten und Süden der Hauptstadt gefunden. In Brandenburg nahe der Westgrenze Berlins war am Montag der erste Brandsatz explodiert.
In Brandenburg wurden am Mittwoch drei Brandsätze entdeckt, sagte der Sprecher des brandenburgischen Polizeipräsidiums, Rudi Sonntag, gegenüber pnn.de mit. "Einer davon wurde ausgelöst." Nach Angaben von Bahnmitarbeitern seien die drei Brandsätze auf der Strecke zwischen Wustermark (Havelland) und Berlin-Staaken entdeckt worden, so Sonntag. "Kurz vor der Berliner Stadtgrenze bei Dallgow-Döberitz." Die Bundespolizei, die für die Sicherung der Bahngleise zuständig sei, sei bereits vor Ort.
An den Ermittlungen zu den jüngsten Anschlägen sind laut Sonntag auch Polizisten aus dem Schutzbereich Havelland beteiligt. Die Beamten würden die Spezialisten des brandenburgischen Landeskriminalamtes unterstützen und im Umfeld der Fundorte Befragungen durchführen. "Die Spurensicherung, etwa die Suche nach DNA-Anhaftungen, wird dagegen von der Tatortgruppe des LKA Brandenburg durchgeführt", berichtete der Polizeisprecher.
Erst am Dienstagabend entdeckte die Polizei in Berlin sieben weitere Brandsätze an Bahnanlagen in der Höhe Behmstraße/Schwedter Steg zwischen Prenzlauer Berg und Mitte. Die am Abend gefundenen Flaschen wurden von Sprengstoffexperten der Polizei entschärft, sagte ein Behördensprecher. Das Landeskriminalamt (LKA) schließt nicht aus, dass noch weitere Brandsätze entlang von Schienen in Berlin und Umgebung gefunden werden.
Die Strecke zwischen Hauptbahnhof und Gesundbrunnen/Spandau wurde vorübergehend gesperrt, am Abend aber wieder freigegeben. Regionalzüge werden auch heute noch umgeleitet, so entfällt bei der RE 4 Berlin-Wittenberge vorerst der Halt Falkensee. Falkensee wird laut Bahn stündlich mit der RB 14 angefahren, zwischen Falkensee und Nauen fahren Busse als Ersatz. Auch in Grünau kam es bis zum Abtransport der Brandflaschen für zwei Stunden zur Unterbrechung des S-Bahn- und Regionalverkehrs. Damit war die Bahnverbindung zwischen dem Zentrum und dem Flughafen Schönefeld gekappt. Nach Angaben eines Sprechers gab es aber keine Beschwerden, dass Fluggäste ihre Maschinen verpasst hätten.
Die Brandsätze wurden von Spezialisten des LKA bei strömendem Regen unschädlich gemacht und zur Untersuchung mitgenommen. Dabei soll auch geklärt werden, warum sie nicht zündeten. Möglicherweise verhinderte die feuchte Witterung Schlimmeres. Angaben dazu machte das LKA nicht.
Im Lauf des Dienstags entdeckten Bahnmitarbeiter bei routinemäßigen Wartungsarbeiten 1.30 Uhr am Adlergestell in Grünau auf Höhe des Drosselstegs drei weitere Brandsätze, die nicht gezündet hatten. Am Nachmittag wurde die Polizei am Hauptbahnhof erneut fündig. Ausgerechnet wenige hundert Meter vom Fundort der Brandsätze am Montag fanden die Beamten weitere Vorrichtungen.
Die drei Flaschen in Grünau waren mit einer brennbaren Flüssigkeit gefüllt und lagen auf den Kabeln zwischen einem Trafohäuschen und dem Gleisbett. Nach Polizeiangaben sollten so wichtige Versorgungsleitungen lahmgelegt werden. Die Brandsätze wurden offensichtlich bereits in der Nacht zu Montag dort platziert. „Die Flaschen ähneln denen, die wir am Vortag gefunden haben“, bestätigte ein Polizeisprecher. Die Experten vom LKA in Brandenburg und Berlin waren am Dienstag noch damit beschäftigt, die Brandsätze zu untersuchen. Sie hoffen an den mit Brandbeschleuniger gefüllten Flaschen DNA-Spuren der Täter in Form von Schweiß, Hautschuppen oder Haaren zu finden. Bei dem gezündeten Brandsatz sind fast alle Spuren verbrannt, daher konzentrieren sich die Ermittler auf die noch intakten Vorrichtungen.
Werden die Kabel zerstört und damit der Strom für die Antriebe von Weichen und Signale unterbrochen, zeigen die Signale im gesamten Stellbereich automatisch Rot, die Züge bleiben stehen. Das gesamte Netz ist in solche Bereiche aufgeteilt, so dass der Verkehr nicht komplett ausfällt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte am Montagabend in der RBB-Abendschau nicht ausgeschlossen, dass durch das Zerstören der Kabel auch ein Zug entgleisen könnte. Anders als im Bekennerschreiben von Montag behauptet, hätten die Täter sehr wohl den Tod von Menschen in Kauf genommen. Damit zeige der Linksextremismus „sein hässliches Gesicht“ und demaskiere sich immer mehr. Dass ein Zug wegen eines Kabelschadens entgleisen kann, hält man bei der Bahn allerdings „nach menschlichem Ermessen“ für ausgeschlossen.
Gravierend sind dagegen die Auswirkungen auf den Betrieb. Am Dienstag waren bei der S-Bahn die Abschnitte von Schöneweide nach Altglienicke und Grünau mit den Linien S 8, S 9, S 46 von 10.30 Uhr bis 12.30 unterbrochen; Ersatzverkehr mit Bussen gab es nur sporadisch. Ab 11.25 Uhr passierten auch keine Züge des Regionalverkehrs das Grünauer Kreuz. Die Reparatur der beim Anschlag am Montag früh zerstörten Kabel bei Finkenkrug an der Strecke Berlin-Hamburg dauert noch mindestens bis Mittwoch. So lange fahren die Fernzüge über Stendal, was die Fahrzeit erheblich verlängert. Im Regionalverkehr gibt es weiter Ersatzverkehr mit Bussen.
Die Bahn hat nach ihren Angaben seit dem Anschlag auf eine Kabelbrücke am Ostkreuz im Mai die Kontrollen der Anlagen verschärft. Zudem prüft sie nach Angaben eines Sprechers, ob es bauliche Änderungen geben kann. Bisher liegen die Kabel meist konzentriert in Betonfertigteilen neben den Gleisen. Die Abdeckungen sind leicht zu entfernen. Denkbar sei, die Schächte abschließbar zu machen, sagte ein Sprecher. Auch ein Verlegen der Kabel unter die Erde werde erwogen. Dann sei bei normalen Defekten das Reparieren aber schwieriger.
Innensenator Körting hat am Dienstag im Gespräch mit dem Innenministerium und der Deutschen Bahn die Unterstützung der Berliner Polizei und anderer Sicherheitsbehörden zur Aufklärung und zur Abstimmung zusätzlicher Schutzmaßnahmen zugesichert. Der Leiter der DB-Konzernsicherheit, Gerd Neubeck, sagte, die Bahn sei Opfer „extremistischer Täter“. Die Kontrollen hätten jedoch gegriffen. „Grundsätzlich ist und bleibt die Bekämpfung gewaltbereiter Gruppen Aufgabe des Staates“, betonte der frühere Vize-Polizeipräsident Berlins.
Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann verurteilte die Angriffe „auf das Schärfste“. Es handele sich um schwerste Kriminalität mit unabsehbaren Folgen. Die Täter spielten mit Menschenleben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte für den Haushalt 2012, geplante Stellenstreichungen und Budgetkürzungen bei der Bundespolizei zu stoppen.
(mit dpa)
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