Brandenburg: Drogenkauf mit Barcode
Kreuzbergs Bezirkschefin fordert legale Coffeeshops und will eine Erlaubnis beantragen
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Berlin - Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann treibt ihr Coffeeshop-Projekt in Kreuzberg voran. Die Grünen-Politikerin will noch in dem Jahr eine Genehmigung für den Verkauf von Cannabis beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragen – zu wissenschaftlichen Zwecken.
Dies ist das Ergebnis einer Anhörung am Mittwochabend im Haus des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg in der Yorckstraße. Herrmann wollte gemeinsam mit Juristen besprechen, wie der Verkauf legalisiert und realisiert werden könnte. Die Diskussion, zu der etwa 40 Zuhörer gekommen waren, widmete sich vor allem den rechtlichen Fragen. Ulrich Gassner, Medizin- und Gesundheitsrechtler, und Cornelius Nestler, Straf- und Strafprozessrechtler, saßen auf dem Podium. Mario Czaja (CDU), Senator für Gesundheit und Soziales, hatte abgesagt.
Herrmann und die Juristen setzen auf das Betäubungsmittelgesetz, das legale Ausnahmen beim Handel mit Drogen zulasse. Eine Erlaubnis könne „zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ erteilt werden, heißt es da. Man habe lange versucht, die wissenschaftlichen getrennt von den öffentlichen Interessen zu definieren, sagte Horst-Dietrich Elvers, Suchthilfekoordinator des Bezirksamts. Er sitzt mit Herrmann im eigens gegründeten Ausschuss, der den Antrag stellen will. „Jetzt denken wir, dass wir am besten mit einer wissenschaftlichen Studie im öffentlichen Interesse argumentieren“, sagte Elvers.
Er bezieht sich auf das „Cannabis-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1994. Es besagt, dass man ein Modellprojekt brauche, um die Auswirkungen des Verbots zu untersuchen. Nur so lasse sich abschätzen, inwieweit dieses überhaupt verfassungskonform sei. Herrmann und die Juristen wollen ein solches Projekt. „Aber die Hürden sind hoch“, sagt Medizinrechtler Gassner. Die Kontrolle des Drogenverkehrs müsse gesichert sein und die Missbrauchsgefahr in den Shops verhindert werden. Man brauche also Kontrollmechanismen im Bezirk. Dafür könnte man die Zahl der Teilnehmer am Projekt begrenzen oder die Abgabemenge pro Tag. „Maximal drei Gramm pro Person am Tag“, schlägt Gassner vor.
Sei das geklärt, gelte es, ein richtiges Forschungsdesign zu erarbeiten. Das sei der größte Aufwand, sagt Strafrechtler Nestler. Die schwierigste Frage sei jedoch: „Was will man mit den Shops eigentlich erforschen?“ Es sei denkbar, den Verkauf als sozial- oder kriminalwissenschaftliche Studie zu begleiten. Dann könne man forschen, welche Auswirkungen das Angebot auf die Konsumenten und auf den bislang illegalen Markt habe, sagte Nestler. Die Wissenschaft sei das Schlupfloch zur Legalität.
„Was passiert, wenn die Dealer einfach auf härtere Drogen umsteigen?“, fragt ein Zuhörer aus dem Publikum. Dazu ließen sich leider kaum Daten erheben, erklärte Gassner. Die Juristen haben also noch nicht auf alles eine Antwort. Solche und ähnliche Fragen will der Ausschuss noch diskutieren mit Drogenexperten, Parkanwohnern, Polizei und Fachpolitikern. Auch die Finanzierung des Projekts muss vor der Antragstellung geklärt werden. Und es muss geklärt werden, ob der Besitz des legal erworbenen Stoffes straffrei sein kann. Gassner fände die Idee nicht abwegig, die Drogen mit einem Barcode zu versehen.
Der Ausschuss will in den kommenden Monaten ein Konzept fertigstellen. Die Bürgermeisterin zeigte sich am Ende zufrieden mit dem Abend. „Besonders weil die Diskussion so ideologiefrei geführt wurde.“ Fast würde sie gern selbst mal einen Joint rauchen, sagte die Grünen-Politikerin – von Zahnschmerzen an diesem Abend geplagt. Aber, so versicherte sie, bis jetzt habe sie noch nie im Leben gekifft. Dabei sollte es bleiben. Milena Menzemer
Milena Menzemer
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