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MUTMASSLICHER „MASKENMANN“ Der Prozess läuft, die Polizei gerät ins Zwielicht: Druck von oben
Bei der Suche nach dem „Maskenmann“ wurden Widersprüche ignoriert. Gefährdet das jetzt den Prozess?
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Potsdam/Frankfurt (Oder) - In Brandenburgs Polizei gibt es ernsthafte Sorgen, dass der Prozess gegen den mußmaßlichen Maskenmann wegen Ermittlungsfehlern am Ende mit einem Freispruch Enden könnte. „Unser Bauchgefühl sagt uns, er ist es“, sagte ein Ermittler den PNN. Aber es sei nicht mit der nötigen Sorgfalt ermittelt worden. Das könne der Anklage in dem Prozess auf die Füße fallen und den Ruf der Polizei in Brandenburg weiter belasten, hieß es. Polizeipräsident Arne Feuring steht ohnehin seit Wochen in der Kritik. Per Dienstanweisung sollte offenbar gezielt die Polizeistatistik geschönt werden, wie jetzt auch ein Polizeiwissenschaftler in einem Gutachter bestätigte. Zudem wurde bei der Erfassung der ohnehin miesen Einsatzzeiten getrickst. Nun wurden auch noch Ungereimtheiten bei den Ermittlungen im Zuge eines der größten Polizeieinsätze in der Landesgeschichte bekannt, für den die Ermittler den „Druck von oben“ verantwortlich machen.
Seit Montag muss sich Mario K. vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) wegen versuchten Mordes, versuchten Totschlags, schwerer Körperverletzung und räuberischer Erpressung verantworten. Der 46-Jährige soll 2011 und 2012 zwei Berliner Millionärsfamilien in ihren Häusern in Bad Saarow und Storkow überfallen und dabei auch einen Manager entführt haben. Der Angeklagte war nach langer Fahndung in einem der größten Polizeieinsätze Brandenburgs gefasst.
Doch bei der mit 60 Beamten besetzten Soko „Imker“ war es während der Ermittlungen offenbar alles andere als rundgelaufen. Einem Beamten soll mit Konsequenzen gedroht und untersagt worden sein, in alle Richtungen zu ermitteln und Widersprüchen nachzugehen. Weil er Bedenken hatte und sich für den Zweifelsfall absichern wollte, hatte sich der Fahnder selbst angezeigt – wegen Strafvereitelung im Amt. Demnach seien Widersprüche in den Aussagen eines Opfers vom Chef der Soko bewusst ignoriert worden. „Andere Meinungen wurden in der Ermittlungsgruppe nicht akzeptiert“, gab der Ermittler zu Protokoll. Auch andere Beamte der Soko beklagten, dass die Ermittlungen einseitig auf Mario K. fixiert und – entgegen der gesetzlichen Pflicht – entlastende Fakten und Widersprüche beiseite geschoben worden sein sollen.
Dazu gehört auch, dass ein entführter Unternehmer, nachdem ihm die Flucht vor dem Maskenmann gelungen war, nicht gerichtsmedizinisch auf Fesselspuren und Unterkühlung untersucht worden ist. Damit hätte überprüft werden können, ob die Angaben des Opfers stimmen – ob er tatsächlich auf eine Schilfinsel verschleppt und dort zwei Tage lang gefangen gehalten wurde.
Der Ermittler kritisierte auch, dass das Opfer nach der Flucht nicht vernommen werden konnte, weil es mit der Familie gleich ins Ausland fuhr. Mehrere Beamte bestätigten, dass der Unternehmer darauf bestanden habe, nur mit Polizeipräsident Feuring persönlich zu sprechen. Zudem soll die Soko-Führung ein Gutachten zu den Aussagen des Opfers zurückgehalten haben, das Widersprüche offenlegt. Eine DNA-Untersuchung, um einen anderen Verdächtigen als den „Maskenmann“ zu prüfen, soll von der Soko-Leitung untersagt worden sein.
Auch Andreas Schuster, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der die Kollegen aus der Soko kennt, sagt: „Es wurde nicht umfassend und intensiv genug und mit der nötigen Sorgfalt in alle Richtungen ermittelt.“ Bei jedem Zweifel seien die Ermittler aber verpflichtet, diesem nachzugehen. Die Ermittler hätte unter hohem Druck gestanden von Medien und Politik, „zu einem Ergebnis zu kommen, um die Bevölkerung zu beruhigen und um zu zeigen, dass die Polizei gute Arbeit bei schwerer und schwerster Kriminalität leistet“, sagt Schuster. „Aber nichts wäre fataler als ein Freispruch aufgrund schlechter Ermittlungen.“ Ein bisschen mehr Ruhe und weniger Zeitdruck wären bei den Ermittlungen angebracht gewesen. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums sagte, der Fall sei bekannt und intensiv geprüft worden. „Zu Einzelheiten werden wir uns während des laufenden Prozesses nicht äußern“, sagte er. Tatsächlich wurden einige Beamte wegen ihrer Kritik versetzt. Im März 2013 auch der Ermittler, der die Selbstanzeige stellte. Er und der Soko-Chef sollen im September vor Gericht aussagen.
Die Staatsanwaltschaft hat übrigens das Verfahren aufgrund der Selbstanzeige eingestellt und darauf gepocht, „Herrin des Verfahren“ zu sein. Doch auch die Staatsanwaltschaft stand unter Druck. Bei jeglichem Zweifel hätte sie anordnen müssen, dass nachermittelt wird. Doch auch das geschah, sagen Beamten, offenbar nicht ausreichend. Alexander Fröhlich
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