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Bluttat in Berlin-Kreuzberg: Ehefrau getötet: Familienvater muss in Psychiatrie

UPDATE. Nach der bestialischen Tötung einer 30-jährigen Frau in Kreuzberg hat der Ehemann die Tat bei der Polizei gestanden. Nun wurde er psychiatrisch begutachtet - dabei ging es um die Frage, ob Orhan S. schuldfähig ist.

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Berlin - Nach dem Mord in Berlin-Kreuzberg wird der 32-jährige Tatverdächtige Orhan S. in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Nach Angaben von Staatsanwaltschaft und Polizei liegt bei dem Mann eine psychische Erkrankung vor, die seine Schuldfähigkeit ausschließe oder zumindest einschränke.

Wie berichtet, hatte der 32-Jährige in der Nacht zum Montag seine zwei Jahre jüngere Frau Semanur S. enthauptet, die Leiche zerstückelt und den Kopf vor den Augen von Anwohnern in den Hof geworfen, während sich die sechs Kinder des Paares im Alter von ein bis 13 Jahren in der Wohnung in der Köthener Straße aufhielten. Beim Geständnis soll Orhan S. keinerlei Reue geäußert haben, wie ein Ermittler dieser Zeitung bestätigte.

Nachbarn hatten nach der Tat berichtet, dass Semanur S. Freundinnen erzählt habe, dass ihr Mann unter Schizophrenie leide und Medikamente einnehme. Den lautstarken Streit und offenbar auch den Gewaltexzess hatten viele Nachbarn mitbekommen. Dennoch konnte die Tat nicht verhindert werden.

Wie die Polizei protokollierte, gingen vier Notrufe ein: Zwei um 1.14 Uhr, einer um 1.16 Uhr, ein weiterer um 1.20 Uhr. Die erste Funkstreife sei um 1.19 Uhr eingetroffen, sagte ein Polizeisprecher. „Da war die Frau aber schon tot, der Kopf lag im Hof.“ Die Beamten hätten den Einsatz wegen Häuslicher Gewalt von der Einsatzleitzentrale bekommen und seien „unverzüglich zum Einsatzort gefahren“.

Die Kinder sind mittlerweile untergebracht worden. „Wir haben ein Heim gefunden, das alle sechs aufnimmt“, sagte die Bezirksstadträtin für Familie, Monika Herrmann (Grüne). Zusammen mit dem Heim und dem Träger arbeite man nun an einem Konzept, wie die Kinder künftig betreut werden – dazu gehört auch eine umfassende psychologische Hilfe. Entgegen ersten Meldungen scheinen sie während der Tat aber geschlafen zu haben beziehungsweise in ihren Zimmern gewesen zu sein, sodass sie den grausamen Tod der Mutter nicht mit anschauen mussten.

Die Tat und ihre Hintergründe werfen generelle Fragen auf. Wie schwer ist es für Jugendämter überhaupt, zu konfliktträchtigen Familien vorzudringen, die in einem Umfeld leben, in dem sich soziale Probleme häufen? Herrmann glaubt, dass es vor allem darum geht, direkten Kontakt herzustellen. Acht Familienzentren wurden deshalb in ihrem Bezirk aufgebaut. Dort können Mütter sich treffen und Kinder spielen. Darüber hinaus versuchen Vermittler zusammen mit dem Jugendamt, Kinder und Mütter auf unkonventionellen Wegen anzusprechen – auf Spielplätzen, in Schulen oder Moscheen. „Wir wirken auch darauf ein, dass die Familien ihre Kinder so früh wie möglich in die Kita schicken“, sagt Herrmann. Dass sich in dem Wohnblock in der Köthener Straße schon vorher heikle Fälle zutrugen, ist der Stadträtin nicht bekannt. Für einen sozialen Brennpunkt hält sie die Gegend nicht. Generell seien die Risikofaktoren überall dort am höchsten, wo eine hohe Arbeitslosigkeit, Armut und oft daraus resultierende Probleme wie Alkoholmissbrauch aufeinandertreffen, sagt Herrmann.

Der Verein „Aufbruch Neukölln“, der versucht, Eltern mit Migrationshintergrund in schwierigen Lebenssituationen zu helfen, verurteilte „dieses barbarische Verbrechen aufs Schärfste“. Der Vorsitzende Kazim Erdogan ist Psychologe und arbeitet seit Jahren mit türkischen Männern in Berlin. Er hatte für Dienstagabend spontan eine Kundgebung vor dem Haus der Ermordeten organisiert. Erdogan wollte dabei auf die oft schwierigen Lebenssituationen und Sprachdefizite von Migrantenfamilien eingehen. Bei Problemen spitze sich die Situation dann in vielen Familien oft noch einmal dramatisch zu. Der Verein hat ein Spendenkonto für die sechs Kinder geschaffen.

„Wir sind entsetzt über diese schreckliche Tat“, sagte auch die Geschäftsführerin des Vereins BIG., Patricia Schneider, der sich um Opfer Häuslicher Gewalt kümmert. Das Hilfesystem für Opfer Häuslicher Gewalt sei in Berlin recht gut ausgebaut, „doch man muss diese Frauen zunächst einmal auch erreichen können.“ Dies sei bei Migrantinnen, die oft recht abgeschottet leben, häufig schwierig. „Wir versuchen mit unseren Projekten an Grundschulen über die Kinder an Mütter zu kommen, die der Gewalt des Ehemannes oder Lebenspartners ausgesetzt sind.“

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