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Brandenburg: Ein einsamer Leuchtturm

Der Campus Rütli ist auf einem guten Weg – und das hat auch mit dem Bürgermeister von Neukölln zu tun

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Berlin - Es gibt wieder was zu feiern auf dem Campus Rütli im Berliner Bezirk Neukölln. Diesmal ist es die Mehrzweckhalle, die für Sport, aber auch für Konzerte nutzbar ist. An diesem Mittwoch wird das Sechs-Millionen-Euro-Projekt mit viel Politprominenz eingeweiht. Das große Bildungsprojekt, das vor fünf Jahren im schwierigen Neuköllner Umfeld nach dem Weckruf eines Brandbriefes wie Phönix der Asche entstieg, hat durchaus Erfolge vorzuweisen: An der einstigen Abstiegsschule gibt es kaum noch Schulabbrecher, die Zahl der Anmeldungen von Schülern aus deutschstämmigen Familien steigt, und in zwei Jahren sollen die ersten Abiturienten den Campus verlassen. Bleibt die Frage: Warum findet das Modell keine Nachahmer in anderen Bezirken?

Volker Hassemer tritt auf die Bremse, wenn er diese Frage hört. Für ihn schwingt zu viel Euphorie mit. „Der Weg ist noch nicht positiv zu Ende, und das Gelingen deshalb noch nicht klar“, sagt er. Doch ein Anfang sei gemacht: „Die Rütli-Schule ist von der Seite der Verzweiflung auf die Seite der Hoffnung gewechselt.“ Hassemer kennt sich aus mit der Rütli-Schule. Als 2006 der Brandbrief des Kollegiums die Runde machte, hat er Heinz Buschkowsky angerufen. Als Vorsitzender der Stiftung Zukunft Berlin wollte Hassemer dem Neuköllner Bürgermeister Hilfe anbieten. Buschkowsky reagierte, was dann folgte, waren fünf Jahre einer erfolgreichen Zusammenarbeit, die „sehr viele Energien freisetzte“, wie Hassemer betont.

Das soll kein Loblied auf den SPD-Bezirkspolitiker sein. „Ein engagierter Bürgermeister darf sich gar nicht anders verhalten, als es damals Buschkowsky getan hat“, sagt Hassemer, Ex-Stadtentwicklungssenator und CDU-Politiker. Mit anderen Worten: Es ist selbstverständlich, dass ein Bürgermeister aktiv wird, wenn eine Schule in Resignation und Verzweiflung versinkt wie Rütli damals. So selbstverständlich sei das gar nicht, finden Brennpunkt-Schulleiter in Mitte. Sie haben viele Brandbriefe geschrieben und sind im Bundeskanzleramt empfangen worden, aber einen großen vorbildhaften Campus, der als Pilotprojekt im Bezirk dienen könnte, haben sie nicht bekommen.

„Unser Bürgermeister schneidet am liebsten Einweihungsbänder durch“, ätzt ein Rektor über Christian Hanke (SPD), der seit 2006 das Bezirksamt leitet. Nach den Brandbriefen sei er nicht einmal zu Schulleitersitzungen gegangen. Keine Spur von einer Idee, wie man aus der Dramatik der Brandbriefe eine positive Energie entwickeln könnte, wie sie der Rütli- Brandbrief entfachte.

„Man kann zu Buschkowsky und seinem Buch stehen, wie man will. Er hat immerhin eine Vision für seinen Bezirk“, lobt Karin Babbe, die eine der erfolgreichsten Brennpunkt-Grundschulen der Stadt, die Erika-Mann-Schule in Wedding, leitet und sich stets auf die eigene Kraft und die des Kollegiums verlassen musste, weil vom Bezirk nicht viel kam.

In Berlins drittem Brennpunktbezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, ist die Lage ähnlich. „Die Schulen genießen hier nicht die Wertschätzung“, hat eine altgediente Kreuzberger Grundschulleiterin festgestellt. Bürgermeister Franz Schulz kümmere sich lieber um Rollheimer oder das Spreeufer. Nur einmal habe sich der grüne Bezirkspolitiker in Schuldingen hörbar gemeldet: Als der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vor einigen Jahren davon sprach, dass er seine Kinder, wenn er welche hätte, nicht in Kreuzberg zur Schule schicken würde. Da kam Protest. „Aber das war es dann auch“, erzählt ein Lehrer. Schulz selbst verweist auf den Marianne-Campus. Dort würden auch viele Einrichtungen vernetzt werden. Die Idee sei von „Rütli“ übernommen worden.

Den Campus-Gedanken auf ganz Berlin zu übertragen, das müsse gar nicht am Geld scheitern, meint auch Hassemer. Es gehe vielmehr darum, Energien freizusetzen und das durchaus vorhandene Interesse und Engagement zu nutzen.

Was er meint, wird klar, wenn man mit Klaus Lehnert über den Campus läuft. Der langjährige Leiter des Albert-Einstein- Gymnasiums in Britz ist Projektleiter des Campus Rütli. Buschkowsky habe ihm nach seiner Pensionierung die Aufgabe angetragen. Aus einem Jahr wurden fünf Jahre. Lehnert schwärmt von der „Viererbande“, die – zusammen mit den Lehrern und Sozialarbeitern – den Campus zu dem gemacht habe, was er heute sei: Schulleiterin Cordula Heckmann, Quartiersmanagerin Ilse Wolter, Lehnert selbst und Sascha Wenzel, der für die Freudenberg- und Groeben-Stiftung auf dem Campus aktiv ist und zur Vernetzung aller Institutionen von der Kita bis zur Oberschule beiträgt.

Und da bleibt viel zu tun. In den nächsten Jahren geht der Ausbau weiter: Ab 2013 rollen die Bagger, um drei weitere Gebäude fertigzustellen. Wo bis vor Kurzem Schrebergärten standen, entstehen eine Werkstatt mit Räumen für die Arbeitslehrer und ein Elternzentrum. Aber jetzt wird erstmal die neue Mehrzweckhalle in Besitz genommen. Lehnert freut sich auf das erste Konzert auf dem Campus Rütli.

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