Von Matthias Oloew: Ein Flughafen – und drei Konzepte
Wer plant Berlin? Die Vermarktung von Tempelhof offenbart das Organisationschaos im Senat
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Berlin - Ein Coup stiftet Ärger: die Vermietung des ehemaligen Flughafens Tempelhof an die Modemesse Bread and Butter. Zweimal im Jahr wird sie stattfinden, auf zehn Jahre sind die Verträge unterschrieben, und der Regierende Bürgermeister strahlt. Der Haken: Offenbar hat Klaus Wowereit (SPD) mit niemandem über die Verhandlungen gesprochen. Alle, die sich sonst Gedanken um die Zukunft des geschichtsträchtigen Areals machen, sind düpiert – sie müssen es sein. Vor allem seine Stadtentwicklungssenatorin. Doch Ingeborg Junge-Reyer (SPD) verteidigt in der Öffentlichkeit tapfer die Entscheidung für die Modemesse. Der Vertrag sei ein großer Gewinn für die zukünftige Nutzung von Tempelhof.
Was sie nicht sagt: Die Arbeit ihrer Verwaltung, die einen sogenannten Call for Ideas startete, um Ideen für die Zukunft von Tempelhof zu sammeln, ist über Nacht Makulatur. Denn die Messe will den ganzen Flughafen inklusive Hangars und Haupthalle nutzen. Das wollen die Studios Babelsberg auch in ihrer Vision eines „Filmhafens Tempelhof“. Deren Chef Carl Woebcken war am selben Tag, als Wowereit über seinen Coup strahlte, schwer enttäuscht, fühlte sich hintergangen und sprach von einem größtmöglichen Unglück für seine Pläne.
Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), die das Terminalgebäude verwaltet und vermietet, erklärt lapidar, besser wäre es gewesen, wenn Woebcken über seine Ideen mit ihnen gesprochen hätte und nicht, wie geschehen, sich ausschließlich am Call for Ideas beteiligt hätte. Der ist nämlich Sache der Stadtentwicklungsverwaltung. Doch die BIM untersteht der Aufsicht der Finanzverwaltung von Senator Thilo Sarrazin (SPD). Unklar bleibt daher auch das Schicksal der weiteren Interessenten. Wird das Alliiertenmuseum einziehen? Kann das Technikmuseum seine Depots behalten? Und was wird mit den Nutzern des Clubs im Hangar 2?
Drei SPD-Mitglieder und keine klare Linie zu Tempelhof. Die Kritik der Opposition lässt nicht lange auf sich warten. Für CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Henkel „offenbart sich hier das ganze Chaos um die Nachnutzung in Tempelhof“. Franziska Eichstädt-Bohlig, Fraktionsvorsitzende der Grünen, erklärt, „ein kluger Hauswirt hätte sich erst um eine Dauernutzung bemüht, aber Rot-Rot zäumt das Pferd von hinten auf“. Martin Lindner, Fraktionschef der FDP, spottet: „Alles deutet darauf hin, dass der Wowereit-Senat noch nicht einmal ansatzweise ein tragfähiges und auf Dauer angelegtes Nachnutzungskonzept hat.“
Die BIM hält dagegen. Durch die Vergabe an die Messe werde Tempelhof als Kreativstandort bekannt gemacht und zahle darüber hinaus einen „sehr attraktiven“ Mietzins. Die Opposition bemängelt, durch die langfristige Vermietung des gesamten Gebäudes und des Vorfelds für nur kurze Zeit seien andere Nutzer auf Dauer blockiert. Der Spott der Opposition ist von derselben Art, die den Senat auch an anderer Stelle trifft. Stichwort Spreedreieck: Finanzsenator Thilo Sarrazin erbt einen verkorksten Grundstückstauschvertrag, mit dem das Land das Deutsche Theater in seinem Eigentum behält und dafür den Erben ein höchst markantes Stück Bauland an der Spree gibt. Aus dem an sich schon fehlerhaften Vertrag zieht der Senat keine Lehren, lässt sich stattdessen vom neuen Grundstückseigentümer und Bauherrn am Spreedreieck vorführen und unter Handlungsdruck setzen. Finanz- und Stadtentwicklungsverwaltung schieben sich in der Folge jahrelang gegenseitig die Verantwortung zu, damit der Senat nicht vom Bauherrn wegen diverser Verfahrensfehler und Zeitverzögerungen vor Gericht gezerrt wird, und lassen alle Sorgfaltregeln außer Acht. Am Ende steht ein Desaster: Filetgrundstücke gehen für wenig Geld über den Tisch, und das neue Haus ist darüber hinaus viel größer als vertraglich vereinbart. Doch selbst davon hat der Senat nichts, denn er verzichtet ausgerechnet an dieser prominenten Stelle auf die sonst in solchen Fällen übliche Nachzahlungsverpflichtung. Diese Klausel in Kaufverträgen greift, wenn Grundstückskäufer doch höher bauen dürfen als zunächst geplant und dann nachträglich zum vereinbarten Kaufpreis etwas nachlegen müssen. Stichwort Humboldthafen: Auch hier plant der Senat, prominente Flächen zwischen Hauptbahnhof und dem Museum Hamburger Bahnhof en bloc an einen Investor zu vergeben, der nicht nur dem Land eine neue Kunsthalle, sondern auch noch ein Museum für zeitgenössische Kunst baut, in dem der Bauherr darüber hinaus auch noch seine eigene Sammlung unterbringen soll. Stolz präsentiert diese Ausschreibung der Regierende Bürgermeister während einer kleinen Schiffsfahrt auf dem Hafenbecken und weist dabei seiner Stadtentwicklungssenatorin die Rolle einer Statistin zu. Jetzt hat diese Ausschreibung nicht die gewünschte Resonanz gefunden, das ehrgeizige Projekt droht zu scheitern, und Klaus Wowereit als amtierender Kultursenator lässt seinen Sprecher trotzig ausrichten: Klappt es nicht auf diesem Wege, dann bauen wir die Kunsthalle eben selber.
Stichwort Mediaspree: Der Senat plant jahrelang große Büro-, Geschäfts- und Hotelkomplexe an den Ufern von Kreuzberg und Friedrichshain, der Regierende lässt sich bei Spatenstich und Eröffnung der Veranstaltungshalle O2-World feiern. Als aber ein Bürgerentscheid auf Bezirksebene die Pläne, die nun der Bezirk weiterführt, ins Wanken bringt, zieht sich der Senat zurück: Der Bezirk sei zuständig. Und der verlangt, dass sich millionenschwere Investoren vor einem Sonderausschuss aus Bezirksverordneten und Initiativgruppenvertretern für ihre Projekte rechtfertigen müssen.
Ein Coup stiftet Ärger. Und es sieht ganz so aus, als müsse der Senat sich für seine Planungspannen auf viel Gegenwind einstellen.
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