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Brandenburg: „Ein Gebot parlamentarischer Selbstkontrolle“ Gutachten von Verfassungsrechtler: Für Platzecks Mitarbeiter gilt 18-Monats-Frist

Potsdam - Nach Einschätzung eines der führenden Verwaltungs- und Verfassungsrechtler Brandenburgs darf dem früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) nur für 18 Monate nach Ausscheiden aus dem Amt mit Steuergeldern ein Mitarbeiter und der Fahrdienst gestellt werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Potsdamer Jurist Matthias Dombert, der von 1993 bis 2009 Landesverfassungsrichter in Brandenburg war, in einem Gutachten im Auftrag der CDU-Landtagsfraktion.

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Potsdam - Nach Einschätzung eines der führenden Verwaltungs- und Verfassungsrechtler Brandenburgs darf dem früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) nur für 18 Monate nach Ausscheiden aus dem Amt mit Steuergeldern ein Mitarbeiter und der Fahrdienst gestellt werden. Zu diesem Ergebnis kommt der Potsdamer Jurist Matthias Dombert, der von 1993 bis 2009 Landesverfassungsrichter in Brandenburg war, in einem Gutachten im Auftrag der CDU-Landtagsfraktion. Demnach hätte Platzeck nur bis Februar von der Staatskanzlei ein Mitarbeiter gestellt werden dürfen, so wie es Ende 2013 der Haushaltsausschuss des Landtags beschlossen hatte. Am heutigen Dienstag befasst sich nun der Haushaltsausschuss auf Antrag von CDU und Grünen in einer Sondersitzung damit.

In seinem Gutachten kritisiert Dombert auch Landesrechnungshof und Staatskanzlei. Der Rechnungshof hatte in der vergangenen Woche auf PNN-Anfrage in einer Pressemitteilung erklärt, dass für die finanzielle Unterstützung Platzecks für „nachwirkende Aufgaben“ aus seinem früheren Regierungsamt im Nachtragshaushalt 2013/14 keine Frist genannt sei. Darauf hatte sich auch die Staatskanzlei berufen, als in der vergangenen Woche die weitere Unterstützung über die ursprüngliche 18-Monats-Frist hinaus über insgesamt zwei Jahre publik wurde.

Dombert kommt zu einem anderen Urteil: Die Staatskanzlei habe noch im Gesetzgebungsverfahren Ende 2013 die Frist gestrichen. Obwohl es Wille der Landtagsmehrheit gewesen sei, „die Vergünstigungen für den ehemaligen Ministerpräsidenten zeitlich zu begrenzen“, habe sich dies „im Gesetzeswortlaut nicht niedergeschlagen“, so Dombert. Dieses „gesetzestechnische Versagen“ mit einer unvollständigen Bestimmung ziehe die Frage nach sich, welche Bedeutung die Absicht des Landtages gegenüber dem Wortlaut des Gesetzes zukommt.

An dieser Stelle widerspricht Dombert dem Landesrechnungshof deutlich. Dessen Beurteilung gebe „nicht die aktuelle Auslegungspraxis der obersten Bundesgerichte wieder“ und folge „nicht anerkannter Auslegungsmethodik“. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) und des Verfassungsgerichtes in Karlsruhe seien gerade der Regelungswille, die Intention des Gesetzgebers und die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes ausschlaggebend bei Auslegung und Anwendung.

Zur Erinnerung: Im Änderungsantrag, den die rot-roten Regierungskoalition im November einreichte, den der Finanzausschuss dann beschloss und vom Landtag schließlich übernommen wurde, steht: „Die personellen Unterstützungsmaßnahmen“ für ehemalige Ministerpräsidenten „sind auf einen Zeitraum von längstens 18 Monaten beschränkt“. Ein Blick in das Ausschussprotokoll zeigt: Auch Rot-Rot war für 18 Monate, etwa der heutige Finanzminister Christian Görke (Linke), ebenso der damalige Staatskanzleichef, der heutige Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Dombert stellt in seinem Gutachten nun fest: „Das Regelungsverständnis, das dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zugrunde lag, muss Richtschnur bei der Normauslegung sein.“ Der Landtag habe sich dem Votum des Ausschusses angeschlossen und dessen Intention zu eigen gemacht. Und der Wille des Landtags – nämlich eine Frist für die Platzeck-Unterstützung – sei bei diesem unvollständigen Gesetz ausschlaggebend, damit das Gesetz mit dem Inhalt angewandt wird, den das Parlament beabsichtigt hatte. Dies sei auch „ein Gebot parlamentarischer Selbstkontrolle“ und entspreche dem Prinzip des Grundgesetzes, zumal Grundfragen wie Gewaltenteilung und Demokratieprinzip berührt seien.

In der rot-roten Koalition selbst gibt es inzwischen auch selbstkritische Stimmen – auch weil seit Platzecks Rücktritt im August 2013 das Ministergesetz nicht angepackt wurde. Eine verbindliche Regelung für Alt-Ministerpräsidenten wollen SPD und Linke nun angehen – mit einer Frist von zwei Jahren nach Amtsaufgaben, entsprechend der Regelung im Ministergesetz von Rheinland-Pfalz.

Ein anderes Problem ist Platzecks Büro für sich und seinen Mitarbeiter in den Räumen der SPD-Landtagsfraktion. Der Landesrechnungshof sieht ein Verstoß gegen das Fraktionsgesetz, weil die dort ausgeübte Tätigkeit einen Bezug zur Fraktionsarbeit haben muss. Die SPD-Fraktion, die vorauseilend an die Staatsanwaltschaft Potsdam geschrieben hat, wo ein Anfangsverdacht geprüft wird, meint, Platzeck sei Ratgeber für die Fraktion und trage zur Meinungsbildung bei. CDU und Grüne dagegen sehen eine unrechtmäßige Versorgung Platzecks aus Steuergeldern und eine unzulässige Interessenverquickung: Wenn er für die Fraktion tätig sei, könne er keinen Mitarbeiter der Staatskanzlei gestellt bekommen. SPD-Fraktionschef Klaus Ness hatte versucht, die ganze Debatte als kleinkariert abzubügeln. Der Jurist Dombert attestiert ihm deshalb nun „mangelnde Vertrautheit mit den rechtlichen Rahmenbedingungen“.

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