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Brandenburg: Ein Gedenkstein für das Stasi-Regiment

Nach Protesten wurde er von einer Hotelkette schnell entfernt. Die Entrüstung ist dennoch groß

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Potsdam - Mehrere Wochen nahm niemand Anstoß an diesem Gedenkstein vor dem Spreewald-Inn-Hotel in Massow (Dahme-Spreewald), einem Ort bei Teupitz. Seit Mittwochmorgen aber ist er fort. Grund ist die Inschrift auf dem eineinhalb Meter hohen Stein: „Wachregiment F.E. Dzierzynski 1960 - 1990“. Gemeint ist der militärische Arm der DDR-Staatssicherheit, benannt nach dem Gründer der sowjetischen Geheimpolizei, Tscheka. In dem Hotel, gelegen direkt an der A 13, 60 Kilometer südlich von Berlin, war einst der Stab der Wachregimentskaserne untergebracht. Auf dem dortigen Truppenübungsplatz Teupitz wurde der Häuserkampf trainiert, Teile der Truppen waren mit Sonderbewaffnung ausgestattet. Frühere Stasi-Offiziere wollten daran erinnern und ließen in den Stein die Inschrift eingravieren – mit Zustimmung der örtlichen Hotelchefin.

In Brandenburg und darüber hinaus löste der Fall am Mittwoch heftige Reaktionen aus. Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, stellte Strafanzeige gegen unbekannt. Die SPD-Landtagsabgeordnete Sylvia Lehmann sprach von einer „Provokation für die Opfer der SED“. „Das Wachregiment Dzierzynski war ein DDR-Sicherheitsorgan mit zweifelhafter Vergangenheit. Dafür brauchen wir keinen Gedenkstein“, sagte sie. Der CDU-Landtagsfraktionschef Dieter Dombrowski erklärte, das Wachregiment sei bekannt gewesen für „seine Brutalität bei der Unterdrückung und Verfolgung von missliebigen Personen“. In einem Brief riet er den Hotelmanagern, den Gedenkstein zu entfernen.

Das aber war gar nicht mehr nötig. Denn die Unternehmensspitze reagiert von selbst, als sie von dem Gedenkstein erfuhr. Der örtlichen Mitarbeiterin sei der Hintergrund nicht bewusst gewesen, teilte die Hotelkette Leonardo mit, zu der das Haus in Massow gehört. „Eine Inschrift vorher hätte geprüft werden müssen – dies hat zum Bedauern aller Beteiligten nicht stattgefunden, die Unternehmensleitung wurde nicht involviert“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Die Hotelkette bedauere den Vorfall zutiefst und distanziere sich entschieden davon. „Insbesondere bestand nie die Absicht, die Gefühle der Opfer, ihrer Nachfahren oder Verwandten zu verletzen, geschweige denn ein dunkles Kapitel der Zeitgeschichte zu banalisieren“, heißt es in der Mitteilung. Bis zur vollständigen Aufklärung der Umstände sei die Mitarbeiterin von ihren Aufgaben entbunden worden.

Die entschiedene Reaktion hat auch mit der Herkunft des in Tel Aviv ansässigen Unternehmens zu tun. Es gehört zu einer Gruppe des israelischen Unternehmers David Fattal, der in den vergangenen Jahren vermehrt Hotels in Deutschland aufgekauft und die Leonardo-Kette aufgebaut hat. CDU-Fraktionschef Dombrowski, selbst SED-Opfer, erinnerte deshalb in seinem Brief an Fattal an die Aktivitäten der DDR-Sicherheitsdienste gegen Israel. „Zionismus war für die SED eine Art von Terrorismus“, heißt es in Dombrowskis Schreiben.

Immer wieder versuchen frühere Stasi-Mitarbeiter, sich ins rechte Licht zu rücken und bilden dazu eigene, verschworene Zirkel. Dazu gehört die Darstellung der angeblich historischen Verdienste des Geheimdienstes für die Sicherung des Friedens. Auch über Teupitz kursieren Berichte um Treffen von früheren Stasi-Mitarbeitern, die sich aber nicht überprüfen lassen. Ebenso Geschichten über die Wirren der Nachwendezeit, als das Waffenlager des Wachregiments von Stasi-Leuten verhökert worden sein soll, von Russenmafia ist die Rede.

Das Gelände selbst erinnert noch stark an die Kasernenanlage von früher. Nach der Wende wurde dort Pfennigartikel verramscht, auch ein Autohandel war dort. Auch einige Plattenbauten aus der Stasi-Zeit stehen noch, der riesige Exerzierplatz und die frühere Fahrertrainingsstrecke sind noch erkennbar. Nach allem, was bekannt ist, war Teupitz einer der wichtigsten Standorte des Wachregiments Feliks Dzierzynski, das direkt Stasi-Chef Erich Mielke unterstellt und bis 1989 auf eine Stärke von 12 000 Mann angewachsen war. In Teupitz wurden die Spezialeinheiten und paramilitärischen Elitetruppen ausgebildet, die Stasi unterhielt eine eigene kleine Armee mit Panzern, Artillerie, Scharfschützen, Panzer-Abwehr-Geschützen und Fliegerabwehr-Raketen.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Björn Lakenmacher, der in der Region seinen Wahlkreis hat, sagte, die Atmosphäre dort sei noch immer gespenstisch. „Hier haben wir das Erbe beider Diktaturen nah beieinander. Tatsächlich befindet sich größte Kriegsgräberstätte Deutschlands in Halbe keine zehn Kilometer Luftlinie entfernt. Stephan Loge (SPD), Landrat von Dahme-Spreewald, sagte den PNN: „Wir ärgern uns über verbotene Symbole der Neonazis in Halbe und dort wird konspirativ ein Gedenkstein für die Stasi aufgestellt.“ Die Inschrift sei einfach nur geschmacklos. „Für mich zeigt das wieder nur, dass die Geschichte stärker aufgearbeitet werden muss“, sagte Loge, der einst selbst Opfer der Staatssicherheit war.

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