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Brandenburg: Ein idealer Ort für ein Untergangsdrama

Martin Wuttke inszeniert auf dem verwaisten Flughafen Neuhardenberg „Die Perser“ und definiert auf dem Rollfeld die Theaterbühne neu

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Martin Wuttke inszeniert auf dem verwaisten Flughafen Neuhardenberg „Die Perser“ und definiert auf dem Rollfeld die Theaterbühne neu Von Volker Eckert Neuhardenberg. Die MIG-Jets der DDR-Regierung sind verschwunden, die toten Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen noch immer unter der Startbahn. Der ehemalige Flughafen Neuhardenberg ist für Martin Wuttke ein fast mythischer Ort des Untergangs. Deswegen hat er ihn als Aufführungsort für seine Inszenierung von Aischylos“ Kriegsstück „Die Perser“ gewählt, in der Bearbeitung von Durs Grünbein. Heute abend ist Premiere. Die Zuschauer werden in dem 2,5 Hektar großen Hangar sitzen. Hier stand damals die Flugzeugstaffel für den Fall bereit, dass die Führungsclique schnell das Land verlassen musste. Wuttke bringt jetzt die Elite des Persischen Reiches an diesen Ort. Sie können ihm nicht entkommen. Die persische Flotte ist gegen die griechische untergegangen. In der Niederlage erweist sich die Gesellschaft auch als moralisch bankrott. Der Flughafen wurde von der Wehrmacht angelegt, den Hangar errichtete die NVA vor gut 40 Jahren. Die zentrale Halle wird von riesigen Stahlträgern gestützt, von denen sich der blaue Lack löst. In den umliegenden ehemaligen Werkstätten hat das Theaterteam um Martin Wuttke Umkleidekabinen, Produktionsbüros eingerichtet. Tagsüber wird es hier sehr heiß, die Internetleitungen sind nicht die schnellsten. Und manchmal landet ein Stück Deckenputz auf der Tastatur eines Laptops. Das alles konnte Wuttke nicht anfechten, der auf dem Gelände schon einmal inszeniert hat, damals Dostojewski. Diesmal hat der Schauspieler und Regisseur die Dimensionen noch erweitert. Bei der ersten Inszenierung saßen die Zuschauer noch im kleinen Hangar, jetzt im großen. Doch sobald das Stück beginnt, ist es, als würde die Halle schrumpfen. Der Blick geht nach draußen, als Bühne dient das riesige Rollfeld, die Wiese und der angrenzende Wald, über die sich die abendliche Dämmerung senkt. Zwei Kameraleute verfolgen das manchmal versprengte Ensemble, das Publikum sieht die Bilder auf Fernsehern und einer Leinwand. Der Blick wechselt zwischen dort und dem realen Raum, dessen Weite die Verlorenheit der Personen verstärkt. Wuttke verlässt die Textvorlage von Durs Grünbein, wenn er etwa Xerxes auf der Wiese nach Überresten gefallener Soldaten des Zweiten Weltkriegs graben lässt – der König, der aus Selbstüberschätzung und Hochmut selber Tausende seiner Krieger in den Tod geschickt hat. Die Grenzen zwischen Aufführungsort und Bühne verschwimmen. So wie bei dem Imbisswagen, in dem einige Szenen spielen. Vor und nach der Aufführung werden hier Snacks ans Publikum verkauft.

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