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Brandenburg: Ein Stasi-Richter gilt als echter Problemfall

Minister Schöneburg legt Ausschuss Ergebnis vor Bis 1996 waren 316 Stasi-Leute im Justizdienst

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Potsdam - Für Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) wird es kein gewöhnlicher Auftritt vor dem Justizausschuss des Landtags am heutigen Donnerstag sein. Denn seit dieser Woche muss sich auch Schöneburg mit einer Debatte um frühere Mitarbeiter der DDR- Staatssicherheit im Justizapparat herumschlagen. Nach interner Prüfung stellte das Ministerium nun fest: Bei drei Richtern im Land gibt es Hinweise auf eine frühere Tätigkeit für die Stasi. Dass es sich nur um Grenzfälle handelt, wie es die Richterwahlausschüsse 1991 in aufwändigen Verfahren festgestellt hatten, daran bestehen aber intern erhebliche Zweifel. Zumindest ein Fall wird nach PNN-Informationen als sehr problematisch eingestuft.

Bekannt ist seit dieser Woche, dass 82 Bedienstete der Justiz einst inoffizielle oder hauptamtliche Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) waren. Dabei hieß es noch im Sommer 2009, als Beate Blechinger (CDU) Ministern war und wenige Monate bevor Schöneburg das Ressort übernahm, dass es in Brandenburg keine früheren Stasi-Spitzel in Richterrobe gäbe. Mit Schöneburg muss nun ausgerechnet ein Linker in dem Ministerium alles aufklären, das seit 1990 erst vom parteilosen Hans-Otto Bräutigam und dann von drei CDU-Politikern  geführt wurde.

Für Helmut Müller-Enbergs, Sachverständiger in der Enquete-Kommission des Landtags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, ist es aber keine Überraschung, dass nun auch im Justizressort – ganz plötzlich – neue Stasi-Fälle auftauchen. „Das wundert mich nicht“, sagte er den PNN. Im Vergleich zu anderen neuen Bundesländern seien in Brandenburg deutlich mehr frühere Stasi-Spitzel in den Landesdienst übernommen – trotz Überprüfung. Müller Enbergs wundert sich aber auch über die Zahl von 82 früheren Stasi-Mitarbeiten in Brandenburgs Justizapparat.

Tatsächlich sind bis zum Jahr 1996 insgesamt 316 von 428 Mitarbeiter in den Justizdienst übernommen worden, bei denen es Hinweise auf eine Stasi-Tätigkeit gab. Nur in 112 Fällen, also 26 Prozent, wurde das Arbeitsverhältnis beendet. Das geht aus Dokumenten der Enquete-Kommission des Bundestags zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hervor. Warum von den 316 Justizbedienstete mit Stasi-Vergangenheit heute, 15 Jahre später, nur noch 82 übrig sind, konnte das Justizministerium am Mittwoch nicht erklären – zumal parallel die Prüfung der Staatsanwälte noch läuft. Fest steht: In Brandenburg wurden im Schnitt mehr Richter und Staatsanwälte übernommen als in anderen Ländern.

Auch in anderen Ministerien Brandenburgs sind die Rausschmissquoten bei Stasi-belasteten Mitarbeitern ähnlich niedrig, etwa mit 26 Prozent im Innenministerium, wo der amtierende Minister Dietmar Woidke (SPD) nach Jahren des Stillhaltens und neu enttarnter Ex-Spitzel bei der Polizei erstmals einen Stasi-Check für Beamte auf Führungsposten durchsetzte. 20 Prozent waren es im Ressort für Agrar und Forst, 18 Prozent bei Umwelt, nur 6 Prozent im Wirtschaftsministerium. Am härtesten wurde im damals von der Marianne Birthler (Bündnis 90/ Grüne) geführten Bildungsministerium durchgegriffen, bei knapp 50 Prozent der Beschäftigten mit Stasi-Hinweis kam es zum Rauswurf. Allein deshalb liegt die Gesamtquote für Brandenburg noch bei 32 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 36 Prozent, in Berlin 50 Prozent.

Allerdings gab es in Brandenburgs Ministerien nicht einmal ein „einheitliches Bewertungsschema“, die Kriterien lagen „denkbar weit auseinander“, heißt es im Enquete-Bericht des Bundestages. Im Bildungsministerium waren die Maßstäbe sehr detailliert, in der Staatskanzlei „je nach den Umständen des Einzelfalls“ geregelt. Alexander Fröhlich

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