Brandenburg: Ein Stern in Berlin geht unter
Gourmet-Koch Stefan Hartmann gibt auf
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Berlin - Im Jahr 2014 dürfte Berlin als kulinarische Hauptstadt des Landes kaum weiter vorankommen. Nach Michael Hoffmann („Margaux“) will nun auch Stefan Hartmann sein nach ihm benanntes Kreuzberger Restaurant schließen – das bedeutet den Verlust von zwei Michelin-Sternen in kurzer Zeit. Hartmann zieht damit die Konsequenz aus einem Verlust in sechsstelliger Höhe, den er vor einigen Jahren mit seinem Zweitrestaurant „Neubau“ angehäuft hatte. Dies sei im Betrieb nicht mehr aufzuholen, hieß es. Hartmann will sich nun zunächst auf beratende Tätigkeit konzentrieren – von ihm stammt das Küchenkonzept des Hotels am Steinplatz.
Damit zeigt sich erneut, dass die Edel-Gastronomie mit ihrem hohen Aufwand an Waren und Personal in Berlin nach wie vor auf wackligen Füßen steht. Wer weder ein Hotel im Hintergrund zur Quersubventionierung nutzen kann noch über üppige Nebeneinkünfte aus Beraterverträgen oder Fernsehauftritten verfügt, dem bleibt nur noch der Weg der Selbstausbeutung – auf dem auch schon ein kleiner Fehler der letzte sein kann.
Eine große Rolle spielt auch die besondere Situation Berlins. Gemessen an der Größe des Einzugsgebiets gibt es hier schlicht zu viele Gourmet-Restaurants. Den Einheimischen fehlen zudem Interesse und Geld, für Geschäftsessen gibt es ebenfalls zu wenig solvente Unternehmen, und die an Feinschmeckerei interessierten Touristen sind von Paris und Barcelona längst nach Kopenhagen und Stockholm weitergezogen, wo stilbildende, international beachtete und glänzend vermarktete Köche arbeiten.
Daraus folgt das seltsame Phänomen, dass der Gästezuspruch in Berlin zwar oft hoch, aber unberechenbar instabil ist. Das gefürchtete Loch nach Silvester ist hier tiefer als irgendwo sonst und dauert traditionell bis zur ITB. In diesem Jahr kam es für die Branche offenbar wieder mal ziemlich dick – wohl entscheidend für Hartmanns Aufgeben.
Berlin verfügt nun weiterhin über fünf Restaurants mit zwei Sternen (Facil, Fischers Fritz, Lorenz Adlon, Reinstoff, Tim Raue) und noch acht mit einem Stern. Drei oder vier weitere kommen theoretisch für einen Stern im Herbst in Betracht, aber es gibt sie schon seit Jahren – neue Mitbewerber, die es meist leichter haben, sind nicht in Sicht. Denn auch die zahlreichen neuen Hotels halten sich von ehrgeiziger Gourmet-Küche weitgehend fern, der Trend läuft eher in Richtung legerer Weinbars.
Der einzige Hotelier, der einschlägige Ambitionen erkennen ließ, ist Markus Wöhrl, dessen Familie zu Jahresbeginn den früher lange besternten „Brandenburger Hof“ übernommen hat. Völlig offen ist bisher, welche Absichten Patrick Hellmann, der neue Besitzer des Schlosshotels Grunewald, verfolgt. Hoher Ehrgeiz waltet überraschenderweise in Lichtenberg: Dort zieht das ambitionierte „a.choice“ in Andel’s Hotel vom ersten in den zwölften Stock und soll zum guten Essen nun bald auch einen prächtigen Blick bieten. Bernd Matthies
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