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Vor ewigen Zeiten. Der frühere Vize-Präsident des Landesrechnungshofes, Arnulf Hülsmann, 2003 – im Jahr seiner Suspendierung.

© Nestor Bachmann/dpa

Brandenburgs Rechnungshof unterliegt Hülsmann: Ein teurer Freizeitbeamter

Der frühere Vize-Präsident des Landesrechnungshofs kann trotz Betrugsurteil seine Pension genießen. Arnulf Hülsmann stehen sogar noch Hunderttausende Euro vom Land Brandenburg zu. Ein kurioser Fall.

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Potsdam - Der Versuch, den früheren Vizepräsidenten des Brandenburger Landesrechnungshofes Arnulf Hülsmann wegen Betrugs aus dem Dienst zu entfernen und seine Ruhegehälter komplett zu streichen, ist gescheitert. Der Dienstgerichtshof am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat jetzt die Klage des Landesrechnungshofs abgeschmettert, wie die PNN aus der Behörde erfuhren. Damit endet eine der ungewöhnlichsten Affären auf Landesebene, von der der frühere Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) sagte, es bestehe die Gefahr, dass der Landesrechnungshof nicht mehr ernst genommen wird. Zugleich ist es die Geschichte von internen Intrigen, aber auch davon, wie in Brandenburg Disziplinarrecht bei Vergehen ranghoher Beamter durchgesetzt wird – nämlich ganz oder gar nicht, mit Samthandschuhen oder mit Axt. Dazwischen gibt es wohl nichts.

Um im Bild zu bleiben: Gegen Hülsmann wählte man die Axt. Und das kommt das Land Brandenburg nun teuer zu stehen. Wäre beim Disziplinarrecht gegen Hülsmann das Florett angesetzt worden, wären verhältnismäßige, machbare Lösungen gesucht worden, hätte das Land viel Geld sparen können. Nun aber muss Brandenburg wohl mehrere Hunderttausend Euro einbehaltener Dienstbezüge für den seit 2003 suspendierten Hülsmann nachzahlen.

Präsidentin des Landesrechnungshofs wollte ihren Vize Hülsmann loswerden

Vorweg bleibt festzuhalten: Hülsmann hat sich strafbar gemacht und wurde dafür verurteilt. Es fing an im Jahr 2002. Gisela von der Aue, von 1998 bis 2006 Präsidentin des Landesrechnungshofes, danach bis 2011 Justizsenatorin in Berlin, zeigte ihren Stellvertreter wegen Betrugsverdachts an. Dass von der Aue und Hülsmann alles andere als ein gutes Verhältnis hatten und von der Aue ihren Vize loswerden wollte, ist fast schon Legende. Hülsmann wurde suspendiert. Schließlich verurteilte ihn das Landgericht Potsdam 2009 zu einer Geldstrafe von 8800 Euro. Es sah es als erwiesen an, dass er sich durch falsche Abrechnungen bei Dienstreisen zwischen 1999 und 2002 Vermögensvorteile von 1900 Euro verschafft hat.

Zwar ging es um einen relativ geringen Betrag, doch aus Sicht der Strafkammer wog dieser Betrug umso schwerer, als Hülsmann als Vizepräsident der obersten Kontrollbehörde des Landes eine herausgehobene Stellung hatte.

Einziges Ziel: Hülsmann aus Beamtenverhältnis zu entfernen

Nach dieser Urteilsbegründung leitete 2010 Thomas Apelt, von der Aues Nachfolger als Rechnungshofpräsident, ein Disziplinarverfahren ein: Einziges Ziel war, Hülsmann aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Das Richterdienstgericht am Landgericht Cottbus entschied 2011, dass Hülsmann angesichts der Schwere des Vergehens in seiner herausgehobenen Position nicht im Amt bleiben kann. Hülsmann zog vor den Dienstgerichtshof am OVG mit einer Berufung und verlor 2012.

Hülsmann kämpfte aber weiter. Als nächste Instanz hob das Dienstgericht Bundesgerichtshof (BHG) die Entscheidung aus Brandenburg 2013 wegen eines Formfehlers auf: Denn der Dienstgerichtshof am OVG war falsch besetzt, für den Beisitzer aus dem Landesrechnungshof war ein falscher Vertreter an der Entscheidung beteiligt.

Verliert Hülsmann Anspruch auf Ruhegehalt?

Während er auf die neue Entscheidung des Dienstgerichtshofs wartete, ging Hülsmann im Juli 2013 in Pension. Seither wurde nicht mehr um die Entfernung aus dem Dienst, sondern um die Frage gestritten, ob er seinen Anspruch auf Ruhegehalt verliert und in die staatliche Rente wechseln muss. Das wäre mit empfindlichen Einbußen gegenüber der Beamtenversorgung verbunden.

Nun, drei weitere Jahre später, wies der Dienstgerichtshof am OVG die Klage endgültig ab. Hülsmann behält nach dem jahrelangen Rechtsstreit seine Beamtenbezüge und geht als Sieger hervor. Zwar kann der Landesrechnungshof den Rechtsstreit noch weiter betreiben und wie zuvor Hülsmann das Dienstgericht des Bundes anrufen. Ob die Nichtzulassungsbeschwerde dort angenommen wird, ist allerdings fraglich.

Nach jahrelangen Verfahren ein Schlussstrich

Zumal auch Christoph Weiser, aktueller Präsident des Landesrechnungshofs, den PNN sagte, er habe die Entscheidung mit einer „gewissen Überraschung“ aufgenommen. Denn dasselbe Gericht habe sein Urteil über Hülsmann offenbar geändert. Zunächst wolle er die schriftliche Urteilsbegründung prüfen, sagte Weiser. Dass der Landesrechnungshof gegen die Entscheidung vorgeht, sei aber eher unwahrscheinlich. Er tendiere dahin, nach dem jahrelangen Verfahren einen Schlussstrich zu ziehen, sagte Weiser.

Die Rechtsprechung zum Disziplinarrecht hat sich im Laufe der Jahre verändert. Jetzt muss auch das vergleichsweise milde Strafmaß berücksichtigt werden. Mit 80 Tagessätzen gilt Hülsmann noch nicht einmal als vorbestraft. Angesichts dessen war aus Sicht des Richterdienstgerichts die Maximalforderung des Rechnungshofs – also erst eine Entfernung aus dem Dienst, später die Streichung des Ruhegehalts – unmöglich. Die Axt war unangebracht in diesem Fall.

Der damalige Rechnungshofpräsident Apelt hätte es in einem Disziplinarverfahren gegen Hülsmann auch eine Nummer kleiner haben können und damit wohl mehr Erfolg gehabt. Das Florett lag bereit: etwa durch eine Herabstufung beim Sold. Für Hülsmann galt die Besoldungsstufe B6, vor seiner Pensionierung 2013 stand ihm ohne Suspendierung ein Grundgehalt von 7925 Euro zu. Mit einer realistischen Disziplinarmaßnahme aber hätte er weiter im Dienst des Landes stehen können, also arbeiten müssen, wenn auch mit deutlich weniger Sold – also auch mit einem Statusverlust. Hülsmann hätte seinen Beamtenpflichten an anderer Stelle weiter nachkommen müssen, das Land, die Bürger, die Steuerzahler hätten etwas davon gehabt.

Viel Freizeit für Hülsmann - auf Kosten der Steuerzahler

Stattdessen verzichtete das Land auf Hülsmanns Dienste und verschaffte ihm auf Kosten der Steuerzahler viel Freizeit. Und er bekommt nachträglich auch noch den bislang entgangenen Sold ausgezahlt. Der war zehn Jahre lang während der Suspendierung um 30 Prozent gekürzt worden. Das vom Land einbehaltene Gehalt summiert sich auf rund 300 000 Euro. Ein mehr als angenehmes Polster fürs Altenteil. Und auch die Verfahrenskosten fallen dem Land, also dem Steuerzahler zur Last.

In anderen Fällen war das Land deutlich nachsichtiger. Prominentestes Beispiel ist Rainer Speer, einst Finanzminister, zuletzt Chef des Innenressorts. Er war im September 2010 zurückgetreten, als bekannt wurde, dass eine Ex-Geliebte für ein gemeinsames Kind Unterhalt vom Staat statt von ihm bezogen hatte. Die Staatskanzlei hatte kurz danach ein Disziplinarverfahren gegen Speer eingeleitet. Denn der Strippenzieher der SPD-geführten Landesregierung soll als Chef der Staatskanzlei zwischen 1999 und 2004 seine Ex-Geliebte, mit der er das uneheliche Kind hat, bei deren Verbeamtung protegiert, sich aber nicht für befangen erklärt haben. Ein Jahr lang lag das Verfahren bei der Staatskanzlei. Eine Regierungssprecherin musste einräumen, dass „eine abschließende Prüfung, ob eine Pflichtverletzung vorliegt, nicht vorgenommen worden“ sei. Grund waren Gesetzesfristen. Tatsächlich war Speer von Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) rechtzeitig in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Die Latte für ein Disziplinarverfahren war unerreichbar hoch gehängt worden.

Und da wäre noch der wegen Korruption verurteilte Ex-Landrat von Teltow-Fläming, Peer Giesecke (SPD). Bei ihm ließ das Innenministerium besondere Milde walten. Giesecke war über zwei Jahrzehnte Landrat. Im Dezember 2012 war er vom Kreistag abgewählt worden, Grund war eine Verurteilung im Herbst 2012 wegen Untreue und Vorteilsannahme zu zehn Monaten Haft, ausgesetzt zu drei Jahren Bewährung, und zu einer Geldstrafe von 8000 Euro. Bei ihm belief sich der Schaden auf mehr als 9000 Euro, durch Zuwendungen eines Unternehmens für eine Kurzreise und abgezweigte Gelder aus dem Verfügungsfonds des Landrats. Drei Jahre lang prüfte das Innenministerium dann den Fall, auch Landräte unterliegen dem Beamtenrecht. Aber trotz festgestellter Verfehlungen und Amtsmissbrauchs wurden Giesecke weder die aktuellen Bezüge noch seine künftige Pension gekürzt.

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