Brandenburg: „Eine Demokratie braucht V-Männer“ Berlins Innensenator über linke und rechte Gewalt
In Berlin wurde über Autobrandstifter und einen beginnenden linken Terrorismus diskutiert. Wurde über die linke Gewalt die rechte Bedrohung vernachlässigt?
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In Berlin wurde über Autobrandstifter und einen beginnenden linken Terrorismus diskutiert. Wurde über die linke Gewalt die rechte Bedrohung vernachlässigt?
Nein, im Gegenteil, Berlin hat dieses Problem nie unterschätzt. Berlin hat rechte Kameradschaften verboten, regelmäßig Konzerte rechtsextremistischer Liedermacher verhindert und rechte Gewalt auch in bundesweit vorbildhaften Veröffentlichungen dargestellt und bekämpft.
Können Sie ausschließen, dass Sie in Berlin V-Männer haben, die Geld bekommen und damit rechte Organisationen finanzieren?
Ja, wir haben in Berlin keine V-Männer in Führungsstellen von extremistischen Organisationen. Eine andere Frage ist aber, ob ich überhaupt mit V-Männern arbeite oder nicht. V-Männer sind ja gerade keine verdeckten Ermittler, sondern Leute, die aus einem extremistischen Bereich kommen und etwa aus Rache oder auch wegen des Geldes bereit sind, mit Behörden zusammenzuarbeiten. Eine Demokratie, die sich schützen will, braucht leider auch solche Informationen. Die Informanten müssen aber richtig geführt werden und jede Information muss sieben Mal umgedreht werden, um zu wissen, was Wahrheit oder Lüge ist. Aber auf solche Informationen zu verzichten, wäre im höchsten Maße gefährlich.
Nach Ansicht der CDU sind Sie gescheitert, was die Sicherheitslage angeht: Verwahrlosung des öffentlichen Raums und brutale Überfälle im Nahverkehr.
Es ärgert mich, weil dieses Bild nicht stimmt. Wir haben nicht mehr Gewaltvorfälle im Nahverkehr und in öffentlichem Straßenland als in früheren Jahren. Heute werden diese Vorfälle bloß stärker problematisiert als Kriminalitätsphänomen, von dem der Bürger erwartet, dass der Staat es in den Griff bekommt.
Hat ihr Ex-Senatorenkollege Thilo Sarrazin doppelten Schaden angerichtet: Menschen mit Migrationshintergrund diffamiert und zu rechtem Gedankengut ermutigt?
Ja. Ich würde ihm nicht unterstellen, rechtsradikales Gedankengut zu tolerieren. Aber so wie er die Menschen behandelt und beschreibt, unterstützt er das leider im Ergebnis. Das Schlimme ist, dass sein ganzes Buch durchzogen ist von einer Ideologie der Abgrenzung. Es geht nicht nur darum, dass Menschen das Land verlassen, weil sie sich hier diskriminiert fühlen, sondern wir grenzen auch hier gut qualifizierte Migranten aus. Das wirklich Schäbige bei Sarrazin ist, dass er ihnen dann auch noch die Folgen vorwirft.
Sie treten ab als Innensenator. Hätten Sie weitermachen wollen?
Zehneinhalb Jahre als Innensenator sind genug. Wenn man einen politischen Job zu lange macht, gerät man in Gefahr, zu versteinern und in Routine zu erstarren. Deshalb war für mich seit einem halben Jahr klar, das ich mit dem Ende der Wahlperiode aufhöre. Ich bin neugierig genug, um mit 69 Jahren noch andere Perspektiven zu suchen.
Das Gespräch führte Gerd Nowakowski
Der Sozialdemokrat Ehrhart Körting (69) ist seit 2001 Innensenator in Berlin. Von 1997 bis 1999 war er bereits Justizsenator. Nun scheidet er aus dem Senat aus. Er lebt in Potsdam-Eiche.
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