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Wahlkampf an der Havel: Eine Frage der Ehre

CDU-Amtsinhaberin Dietlind Tiemann ist Favoritin bei der Oberbürgermeisterwahl in Brandenburg/Havel. SPD-Gegenkandidat ist wie bereits 2003 Norbert Langerwisch.

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Potsdam - Für die Union geht es um die wichtigste Stadt im Land: In Brandenburg an der Havel, einst Wiege und Churhauptstadt der Mark, hat jetzt der Wahlkampf für die Oberbürgermeisterwahl am 11. September begonnen. Die CDU-Amtsinhaberin und frühere Unternehmerin Dietlind Tiemann, die im Jahr 2003 die „rote“ Stahlarbeiterstadt und traditionelle SPD-Hochburg nach jahrelanger Misswirtschaft im Rathaus überraschend genommen hatte, tritt erneut an. Und Tiemann hat, wie selbst Gegner einräumen, angesichts der von allen anerkannten Aufwärtsentwicklung in der früheren Stadt der Krisen und Ruinen beste Chancen für eine zweite achtjährige Amtszeit.

Und das, obwohl SPD-Bundestagsfraktionschef und Ex-Außenminister Frank Walter Steinmeier hier seinen Wahlkreis hat.

Tiemanns SPD-Gegenkandidat ist wie bereits 2003 Norbert Langerwisch, der frühere Polizeichef der Stadt, der zwischenzeitlich Beigeordneter im Rathaus war, dann über eine Affäre stürzte und heute im Innenministerium für den Aufbau des digitialen Polizeifunks im Land zuständig ist. „Ich muss nichts beweisen. Mein Ziel ist die Stichwahl“, sagt er. „Sie macht einen Wahlkampf aus dem Amt heraus. Und hat Ergebnisse.“

Kein Wunder also, dass Langerwisch gleich zum Auftakt prominente Wahlkampfhilfe von SPD-Landeschef und Ministerpräsident Matthias Platzeck bekam, der am Dienstagabend viel Zeit mitbrachte und vor einer kleinen Runde von 60 Sympathisanten und Anhängern bei Schwein am Spieß im Ausflugsrestaurant „Buhnenhaus“ für Langerwisch warb und verzagten Genossen Mut zu sprach. Brandenburg habe sich „in den letzten 20 Jahren, auch in den letzten acht Jahren, erfolgreich entwickelt“, sagte Platzeck da. Langerwisch, „ein Urbrandenburger“, verfüge über die Kompetenz, Menschen zusammenzubringen. „Er habe Ecken und Kanten. Aber sein Wort, sein Handschlag gilt.“ Die Vorgeschichte der Kandidatur, mit der Langerwisch seiner Partei und dem Stadtvorsitzenden Ralf Holzschuher – zugleich Chef der Landtagsfraktion – aus der Misere half, spielte am Abend keine Rolle mehr. Zunächst hatte die SPD den Vize-Fraktionschef und Anwalt Dirk Stieger ins Rennen schicken wollen, woraus wegen einer seiner Partei und seinen Wählern verheimlichten früheren IM-Tätigkeit für die Stasi – während seines Wehrdienstes – nichts wurde. Er gab sein Mandat im Stadtparlament zurück, heute leitet er Langerwischs Wahlkampf. Holzschuher selbst hatte nicht antreten wollen, was er damals mit seiner Unabkömmlichkeit als Landtagsfraktionschef begründete. Und dann waren auch noch alle Versuche Platzecks, einen parteilosen Kandidaten zu gewinnen, fehlgeschlagen. Als Langerwisch in dieser Not antrat, wurden prompt alte Vorwürfe laut. Nach Akten der Stasi-Unterlagenbehörde hatte die Staatssicherheit versucht, Langerwisch als Spitzel zu verpflichten, wozu es allerdings nicht kam. Da es aber Kontaktgespräche und auch Quittungen über Geschenke gab, stuft ihn die Jahn-Behörde dennoch als IM ein – was Langerwisch empört zurückweist. „Ich war kein IM.“

In der Stadt selbst, wo Langerwisch als Polizeichef vor und nach 1989 wegen Erfolgen bei der Bekämpfung der Kriminalität Ansehen genoss, spielt es ohnehin keine Rolle. „Es gab danach zwei E-Mails, eine unterstützende und eine kritische – das war’s“, sagt Holzschuher. Und auch Tiemann hütet sich, die Vergangenheit ihres Kontrahenten auf- oder gar anzugreifen. In der Wahlkampfzeitung, in der sie auch offen über ihre frühere SED-Mitgliedschaft und den Bruch im Herbst 1989 spricht, werden vor allem Erfolge der Amtszeit aufgelistet. Und die Liste ist lang, Ansiedlungen, die Bebauung am Neustädtischen Markt, dem früheren „Loch“, einer ewigen Baugrube, der Coup der erfolgreichen Bewerbung um die Bundesgartenschau 2015

So geht, ganz anders als vor acht Jahren, der Wahlkampf sehr gelassen los. Langerwisch hat große Plakate hängen lassen, mit einem roten Herzen: „Ich mag mein Brandenburg“.

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