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Brandenburg: Eine Mahnwache gegen die Angst
Joachimsthaler Amtsdirektor fordert Ruhe für die Therapie des Sexualstraftäters Werner K.
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Joachimsthal - Über Werner K. (51) will die Bäckersfrau hinter dem Tresen nichts sagen. „Bloß nicht.“ Wie sie winken viele ab, wollen nicht über den früheren Sexualstraftäter reden, der seit Frühjahr 2008 wieder in Joachimsthal lebt. Nur ein Mann, der beim Bäcker frühstückt, meint: „Mir ist das egal. Er ist ein freier Mann. Die Polizeiwache war doch unsinnig und viel zu teuer.“
Monika Krüger (67), ihr Mann Jürgen (61) und Grit Brobowski (38) aber haben Angst, seit ein Gericht in der vergangenen Woche die Dauerobservation der Polizei für K. nicht verlängerte. „Wir sind von der Nachricht überfallen worden. Jetzt fühlen wir uns nicht mehr sicher“, sagt Grit Brobowski. Zuvor hätten die Kinder allein auf dem Spielplatz spielen dürfen. „Jetzt sehen sie kaum mehr Kinder draußen.“ Jürgen Krüger ergänzt, in Joachimsthal lebe noch immer ein Opfer von K. 1985 war die Frau 24 Jahre alt, K. lauerte ihr im Wald auf, versuchte sie zu vergewaltigen. „Können Sie sich vorstellen, was das für die Frau bedeutet, wenn die Polizeiwache abzieht?“
Nun will die Bürgerinitiative wieder zwei Mal pro Woche Mahnwachen abhalten, damit sich K. „nicht mehr sicher fühlt“. Wie vergangenes Jahr, als der Mann im April aus der Haft freikam. Wegen einer Justizpanne hob der Bundesgerichtshof die Sicherungsverwahrung auf. Insgesamt 22 Jahre war er zuvor in Haft, hatte vier Frauen vergewaltigt und zwei Kinder misshandelt. Die Angst war groß in Joachimsthal. Die Bürgerinitiative zog vor das Haus des Mannes und forderte: „Werner K. muss weg.“ Der Zulauf ebbte schnell ab, auch die rechtsextremistische NPD marschierte auf. Schließlich übernahm die Polizei die Überwachung, die Initiative stellte ihre Arbeit ein. Werner K. aber musste zwei Aufenthalte in fernen Therapieeinrichtungen abbrechen, immer wegen Protesten von Anwohnern.
Seit Dienstag ist die Furcht zurück in der Stadt. Noch am Abend trafen sich Grit Brobowski und ihre Mitstreiter vor dem Haus, in dem K. lebt, verteilten Handzettel. Am Mittwochabend standen sie wieder da, dabei ein Transparent: „Wir haben auch die Kraft.“ Angelehnt an die Wahlplakate der CDU, die im Ort hängen: „Wir haben die Kraft.“ Auf anderen steht „Sicher leben“. So recht zündet der Protest nicht. Nur neun Erwachsene mit ihren Kindern kamen, Journalisten waren in der Überzahl. „Viele Leute sind zwar empört, dass die Polizei abgezogen wurde, denken sich aber, es bringt ja sowieso nichts, etwas zu machen.“ Jürgen Krüger meint, viele hätten ihnen aus den Autos gewinkt: „Macht weiter so!“ Dass von K. keine Gefahr mehr ausgeht, glauben sie nicht. Ein Gutachter hatte das festgestellt, weshalb das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Observation aufhob. Der 51-Jährige habe sich unter Kontrolle, meint der Gutachter. Einmal die Woche spricht K. mit einem Therapeuten und darf keine Waffen besitzen. K. wolle „seine Ruhe haben“, hieß es; sein Trieb sei „deutlich schwächer“. Er sei sich bewusst, dass bei jedem Sexualverbrechen der Verdacht sofort auf ihn fällt, das halte ihn von weiteren Taten ab. Und die Polizei fährt nun häufiger Streife.
„So etwas hält doch keinen Triebtäter ab“, sagt Grit Brobowski. „Das ist keine Therapie, die haben mit ihm das Haus renoviert“, erklärt Monika Krüger. Ihre Forderung: „Solche gefährlichen Straftäter dürfen nicht durch Fehler und Gesetzeslücken auf freien Fuß kommen.“
Dirk Protzmann, Amtsdirektor von Joachimsthal, spricht von „Schattenseiten des Rechtsstaats“ und sagt, „die Leute sind frustriert“. Am meisten stören ihn aber die Schlagzeilen. „In Deutschland gibt 15 bis 20 solcher Fälle, berichtet wird aber nur über Werner K.“ Am besten wäre ein Ort, „an dem Werner K. endlich Ruhe findet für seine Therapie. Denn egal, wo er hingeht, gibt es Ärger. Es gibt keinen ruhigen Ort für ihn.“ Alexander Fröhlich
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