
© Patrick Pleul/dpa
Von Renate Grimming und Peter Jähnel: Eine Million Sandsäcke gegen die Flut
Wassermassen drücken gegen aufgeweichte Dämme / Deichbruch in Sachsen-Anhalt
Stand:
Cottbus/Herzberg - Das Hochwasser in Brandenburg hält Anwohner und Krisenstäbe in Atem - und bringt das öffentliche Leben mit Straßensperrungen, geschlossenen Schulen und Geschäften auf einem rund 150 Kilometer langen Streifen komplett durcheinander.
Der Hochwasserscheitel mehrerer Flüsse erreichte – aus Sachsen kommend – am Donnerstag den Landessüden und bewegte sich flussabwärts. „Wir müssen die kommende Nacht noch überstehen“, sagte Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). „Es ist ein Wettlauf mit der Zeit.“ Insgesamt waren r mehr als 2000 Helfer im Einsatz, darunter auch Kräfte aus Berlin und Sachsen-Anhalt, sie wurden laut Innenministerium immer wieder durch Schaulustige behindert. Betroffen sind die Landkreise Elbe-Elster, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Dahme-Spreewald. Seit Dienstag wurden aus dem Landeskatastrophenschutzlager 860 000 Sandsäcke, 300 Feldbetten, eine Sandsackfüllmaschine, 70 Netzcontainer und 560 Außenlastbehälter für Sandsäcke herangeschafft.
Immer mehr Sorgen bereitet den Fachleuten der über Tage anhaltende Druck auf die Dämme. Die hohen Wasserstände könnten noch bis zum Wochenende anhalten, sagte Wolfgang Genehr vom Landesumweltamt in Cottbus. Die Pegelstände in den Landkreisen Spree-Neiße, Oberlausitz-Spreewald und Elbe-Elster bewegten sich zwischen der höchsten Alarmstufe A 4 und der Stufe A 3.
Auch im Westen Polens bleibt die Situation angespannt. Die Flutwelle auf der Lausitzer Neiße traf inzwischen Gubin und seine Umgebung. In der Stadt an der Grenze zu Deutschland seien 14 Straßen unterspült worden, meldete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Der Fluss stieg am Donnerstagnachmittag auf 6,17 Meter, das waren nur 12 Zentimeter weniger als bei der Flut im August.
Nach dem Deichbruch an der Schwarzen Elster bei Meuselko in Sachsen-Anhalt hat der Landkreis Wittenberg am Donnerstag Katastrophenalarm beidseitig des Flussabschnittes bis Jessen ausgerufen. 200 Menschen wurden evakuiert.
Auch an der Oder wurde die erste Stufe des Hochwasseralarms ausgelöst. In ihrem Quellgebiet und den Nebenflüssen hatten die ergiebigen Niederschläge der vergangenen Tage zu steigenden Wasserständen geführt. Die zeitweise überflutete Autobahn A 13 wurde am Donnerstag wieder in beiden Richtungen freigegeben. Auch die Bundesstraße B 169 zwischen Lauchhammer und Plessa war wieder für den Verkehr frei. Die Bundeswehr kündigte den Einsatz von Hubschraubern an, um Material zu Sickerstellen bei Bad Liebenwerda zu transportieren.
Hoffnung machen den Helfern sinkende Pegelstände in Sachsen. Für Elsterwerda und Bad Liebenwerda wurden stagnierende Wasserstände der Schwarzen Elster von rund 3,50 Meter gemeldet. Das ist doppelt so hoch wie sonst. Derweil stieg der Pegelstand in dem flussabwärts gelegenen Herzberg weiter leicht an und lag Donnerstagmittag bei 3,65 Meter. „Die Dämme der Schwarzen Elster sind viele Jahrzehnte alt“, sagte ein Sprecher des Katastrophenstabes. Der Wasserdruck habe mehrere Sickerstellen verursacht, die nur mit großem Einsatz repariert werden konnten.
Von der am Mittwoch eingeleiteten freiwilligen Evakuierung in der Innenstadt von Elsterwerda waren 2700 Personen betroffen. „Wir wissen aber nicht, wie viele Bewohner ihre Wohnungen verließen und wann sie wieder zurückkehren können“, sagte ein Sprecher. „Wegen der angespannten Lage können wir noch keine Entwarnung geben.“ Mehr als 100 Patienten eines Krankenhauses wurden in andere Kliniken gebracht. In dem Landkreis blieben 16 Schulen gesperrt. Einige von ihnen sollen am Freitag wieder öffnen. In München bei Bad Liebenwerda (Elbe-Elster) wurde das Oktoberfest abgesagt. Die Festwiese steht unter Wasser.
Deutschland braucht nach Ansicht der brandenburgischen Umweltministerin Anita Tack (Linke) dringend einen nationalen Plan zum Hochwasserschutz. „Es ist höchste Eisenbahn“, sagte sie. „Wir müssen die Prävention verbessern und mehr abstimmen.“ (mit axf)
Renate Grimming, Peter Jähnel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: