Brandenburg: „Eine nationale Aufgabe“
Umweltministerin Tack fordert mehr Engagement des Bundes beim Hochwasserschutz
Stand:
Gemeinsam mit Sachsen fordern Sie ein stärkeres Engagement des Bundes im Hochwasserschutz, bislang Länderhoheit. Sind die Bundesländer damit überfordert?
Der Bund sollte stärker Verantwortung im Hochwasserschutz übernehmen. Es geht um eine nationale Aufgabe. Der Klimawandel wirkt, die Schwere von Hochwässern nimmt zu, wie wir jetzt an Neiße und Spree wieder erleben. Die Länder sind nicht überfordert, aber die Koordinierung kann besser werden. Bisher kann etwa nach den föderalen Strukturen jedes Land seine eigene Deichhöhe festlegen. Aber auch für eine engere Abstimmung mit den Nachbarstaaten ist der Bund gefordert.
In Sachsen gab es Klagen über fehlende Informationen aus Polen.
Wir haben da mit unseren Drähten geholfen. Unsere Zusammenarbeit mit polnischen Behörden ist inzwischen eingespielt. Das hat sich zuletzt an der Oder bewährt. Trotzdem: Die Kooperation innerhalb Deutschlands, aber auch zwischen europäischen Fluss-Anrainerstaaten im Hochwasserschutz ist verbesserungswürdig. Das gilt nicht nur für den Katastrophenfall, wo schnelle Kommunikationswege wichtig sind, sondern auch für den vorbeugenden Hochwasserschutz.
Was sollte passieren?
In einer ersten Stufe sollte es um Länderübergreifende gemeinsame Planungen gehen, in einer zweiten Stufe dann auch um gemeinsame Finanzierungen. Das geht nur, wenn der Bund mitzieht.
Brandenburg ist in diesem Jahr nun schon zum zweiten Mal von einem schweren Hochwasser betroffen. Läuft die Abwehr optimal?
Es gilt mehr als früher der Satz: Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser. Als ich das im Sommer im Landtag in Auswertung des letzten Katastropheneinsatzes an der Oder sagte, konnte niemand ahnen, dass das so schnell geschehen wird. Ganz klar, die Strukturen sind gut, der Einsatz klappt. Aber wir müssen weitere Schlussfolgerungen ziehen, aus den Hochwässern an Oder, Neiße und Spree.
Konkret bitte: Wo sehen Sie Reserven?
Hochwasserabwehr muss in trockenen Zeiten trainiert werden. Solche Übungen sind in der Prignitz, auch in anderen Landkreisen üblich, aber eben nicht überall. In Spree-Neiße, wo wir in den letzten zwei Tagen durchaus dramatische Situationen erlebten, hatte der frühere Landrat Hochwasserschutzübungen abgelehnt. Ich gehe davon aus, dass das sein Nachfolger auch unter dem Eindruck des aktuellen Hochwassers anders praktizieren wird. Hochwasser-Übungen müssen auch an Spree und Neiße üblich werden. Man kann sich nicht länger dahinter verstecken, dass es dreißig Jahre kein Hochwasser gab.
Es fiel auf, dass sehr spät begonnen wurde, Sandsäcke zu füllen.
Die Vorkehrungen wurden getroffen, das Material war da. Aber die Vorankündigungszeiten waren auch sehr kurz. Ansonsten gilt: Manöverkritik wird nach dem Hochwasser geübt.
Anders als an Oder und Elbe wurden die Deiche an Spree und Neiße nicht saniert. Hat auch das Land die Gefahr unterschätzt?
Von Vernachlässigung kann keine Rede sein. Die Deiche sind nicht saniert, aber normal unterhalten worden. Die Sanierung der Deiche im Land hat sich auf Oder und Elbe konzentriert, weil dort die größten Gefahren bestanden. Wir werden nach dem Hochwasser auswerten, ob an Spree und Neiße jetzt nachgelegt werden muss. Aber die finanziellen Spielräume sind angesichts der Haushaltslage des Landes dafür eng. Wir müssen Prioritäten setzen.
Die Lage hat sich am Dienstag entspannt. Trotzdem: Was kommt da noch auf Cottbus, auf den Spreewald, ja auf Berlin zu, wenn sich die Wassermassen nun nach Norden wälzen?
Anders als im Frühsommer an der Oder ist dieses Hochwasser dadurch charakterisiert, dass sehr schnell extrem viel Wasser kam, und dass es mit hohen Geschwindigkeiten fließt. Noch kann keine Entwarnung gegeben werden. Von der Spree-Talsperre in Spremberg wird sich das Wasser jetzt kontrolliert, dosiert auf Cottbus zu bewegen. Wir müssen das Wasser aber abfließen lassen, um in der Talsperre Platz für mögliche neue Niederschläge zu haben. In Cottbus wird es Vernässungen geben, hoffentlich nicht extrem, aber den einen oder anderen Keller könnte es erreichen. Danach haben wir die Chance, dass der Spreewald viel Wasser aufnehmen kann, das gilt auch für das Dahme-Spree-Gebiet. Die Berliner brauchen also keine Angst haben.
Nach jedem Hochwasser verkündet die Politik, dass den Flüssen ihre natürlichen Räume zurückgegeben sollen. Wann geschieht das endlich?
Wir tun das, aber das geht nicht über Nacht. An der Oder und der Elbe sind bereits Überflutungsflächen entstanden, also Deiche zurückverlegt worden. Weitere folgen. Ich denke, in den Köpfen ist das drin: Wir müssen den Flüssen ihre Räume wiedergeben.
Anita Tack (Linke) ist seit November 2009 Ministerin für Umwelt, Gesundheit und
Verbraucherschutz
in Brandenburg.
Mit der 59-jährigen
Politikerin sprach Thorsten Metzner.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: