zum Hauptinhalt
Rechte Sprüche. Mit „Gas geben Sachsenhausen“ provozierten Fans des Sechstligisten TuS Sachsenhausen am Mittwochabend in Sachsenhausen die Anhänger des SV Babelsberg 03.

© Jan Kuppert

Brandenburg: „Eine Provokation“

Propaganda-Aktion rechter Fußballfans ausgerechnet am Tag der Befreiung und in Sachsenhausen beim Spiel gegen Babelsberg

Stand:

Oranienburg - Erneut sorgen rechtsextreme Fußballfans in Brandenburg für Empörung – und das ausgerechnet am 68. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges von 1945 und ausgerechnet in Sachsenhausen, einem Ortsteil von Oranienburg (Oberhavel), wo von 1936 bis 1945 im dortigen Konzentrationslager mehrere Zehntausend Menschen von den Nazis ermordet wurden. Fans des Sechstligisten TuS Sachsenhausen haben beim Landespokalspiel gegen den Drittligisten SV Babelsberg 03 ein Banner entrollt mit der Aufschrift „Gas geben Sachsenhausen“. Möglicherweise hätte sich daran auch niemand gestört, wenn nicht Babelsberg- Fans aktiv geworden wären.

Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, sagte den PNN am Freitag: „Ich bin erschüttert und entsetzt, es handelt sich um eine unglaubliche Geschmacklosigkeit. Das kann ich nur verurteilen.“ An einem Ort wie Sachsenhausen könne niemand so naiv und dumm sei, eine solche Wortwahl als neutral zu betrachten. „Das kann nur bewusst geschehen sein, eine Provokation“, sagte Morsch. Sollte der Verein mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen und bei den Fans Probleme haben, müsse sich der Verein dem widmen.

Die Polizei war zu dem Spiel am Mittwochabend ohnehin mit verstärktem Aufgebot angerückt aus Sorge vor Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Vereine. Der SV Babelsberg 03 pflegt das Image als linker, antifaschistischer Kiezklub. Einigen der Fans und Spieler anderer Mannschaften des TuS Sachsenhausen werden Kontakte zur rechten Szene nachgesagt. Dann kurz nach Anpfiff der zweiten Halbzeit vor 550 Zuschauern entrollten Sachsenhausen-Fans das Banner. Laut Polizei haben sich SVB-Anhänger dadurch provoziert gefühlt und wollten die anderen Fans attackieren. Ordnungsdienst und Polizei verhinderten dies. Der Ordnungsdienst nahm das Banner herunter, es wurde sichergestellt, der Staatsschutz ermittelt. Die Polizei geht bislang nicht davon aus, dass ein Straftatbestand erfüllt wurde. Zudem hatten die Beamten im Stadion nicht die Personalien der Sachsenhausen-Fans, die für das Banner verantwortlich waren, aufgenommen. Mehrere Mitglieder der Vereinsführung erklärten, von dem Banner selbst nichts mitbekommen zu haben. Erst durch die Babelsberg-Fans sei es dazu gekommen, dass das Plakat abgehängt wurde.

Thoralf Höntze, Marketingschef beim SV Babelsberg 03, der beim Spiel dabei war, stellte die Vorgänge anders als die Polizei dar. Demnach hätten SVB-Fans die Polizei nachdrücklich auf das Banner hingewiesen und gefordert, es abzunehmen. „Das hat aber ewig gedauert. Erst nach ungefähr zehn Minuten haben sich ein paar Leute zusammengetan und sind rübergelaufen, aber nicht für eine körperliche Auseinandersetzung, sondern um das Banner abzuhängen.“ Dann stellte sich aber die Polizei dazwischen. Es blieb an diesem Abend nicht bei diesem Vorfall. Als die Babelsberg-Anhänger abreisten und zum Bahnhof gingen, skandierte ein Sachsenhausener aus einem Wohnungsfenster noch den Hitlergruß.

TuS-Vereinsmanager Fred Lange nannte die Ereignisse im Stadion eine Katastrophe. „Wir wollen so etwas nicht im Stadion haben.“ Andere Vereinsvertreter sprachen von einer einmaligen Aktion „von einer paar Spinnern“. Diese seien „nicht so extrem, wie es hochgespielt wird“. Man könne nicht unbedingt sagen, dass der Vorfall einen politischen Hintergrund gehabt habe. Auch der Trainer sage oft „Gas geben“. Das Fazit der Vereinsspitze: „Im Prinzip war alles friedlich.“

In Brandenburg haben Fußball-Klubs immer wieder Probleme mit Rechtsextremisten, besonders in Frankfurt (Oder), wo in der Vergangenheit Fans von Tebe Berlin attackiert wurden, aber auch beim Zweitligisten FC Energie Cottbus. Bei Auswärtsspielen fielen Mitglieder der Fangruppe „Inferno 99“ durch rechtsextreme und antisemitische Propagandaaktionen in den Stadien auf. Deutschlandweit Aufsehen löste 2005 ein „Juden“-Plakat der Cottbus-Fans bei einem Spiel gegen Dynamo Dresden aus. 2012 präsentiere die Fangruppe bei Auswärtsspielen mit einzelnen Buchstaben in Stadien den Spruch: „Nur ein Sieg heilt unsere Wunden“. Für kurze Zeit war aber nur „Sieg heil“ zu lesen. Die Vereinsspitze duldete die braunen Umtriebe und erklärte sich für nicht zuständig, wohl auch weil diese Fangruppe für die meiste Stimmung im Stadion sorgte. Die Sicherheitsbehörden hatten Energie seit Mitte 2012 verstärkt auf das Problem hingewiesen, erst hinter den Kulissen, als das nichts half, auch öffentlich. Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber hatte dem Verein mehrfach vorgeworfen, nicht konsequent genug die rechtsextreme Fangruppe vorzugehen. 50 Mitglieder von „Inferno99“ werden der rechtsextremen Szene zugerechnet, einer der Köpfe war Führungsmitglied des 2012 verbotenen Neonazi-Netzwerks „Widerstand Südbrandenburg“. Zudem gibt es Verbindungen zu Rechtsextremisten in einem Cottbuser Kickboxverein. Erst Ende Januar distanzierte sich die Klubführung erstmals mit Stadionverboten von „Inferno“, aber erst unter dem Druck von Behörden und Landespolitik.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })