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Brandenburg: Eine Reise, die nicht lustig wird

Streit um Bildungs-Trip zu Braunkohle und Ockerspree von Parlamentariern Berlins und Brandenburgs in die Lausitz ist beigelegt

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Potsdam - Auf in die Lausitz, die Reiseposse ist abgewendet! Die gemeinsame Tour von fünf Parlamentsausschüssen Berlins und Brandenburgs in die Braunkohleregion findet doch statt. Nach wochenlangem Gezerre um das Programm am 24. Juni ist ein Kompromiss gefunden, bestätigten die zuständigen Ausschusschefs Manuel Heide (CDU, Berlin) und Ralf Holzschuher (SPD, Brandenburg) am Donnerstag auf PNN-Anfrage. Es werde „keine einseitige Showveranstaltung“, versicherte Holzschuher. „Wir machen uns ein Bild von den Problemen“, sagte Heide. „Es soll ja mehr rauskommen als eine touristische Fahrt nach dem Motto: Unser Dorf soll schöner werden.“

Schließlich seien die Berliner Abgeordneten keine Vollzeit-Parlamentarier. „So ein Tag ist schon ein hoher Aufwand, das muss sich auch lohnen“, so Heide. Die Einigung sieht jetzt so aus, dass Brandenburg die ursprünglich geplante Sightseeing-Tour zusammenstreicht, ein Abstecher in ein umgesiedeltes Dorf entfällt etwa. Und die Berliner bestehen nicht mehr darauf, dass das von Abbaggerung bedrohte Proschim besucht wird. Holzschuher hatte auch im Telefongespräch mit Heide argumentiert, dass die Zeit für die gesamte Tour extrem knapp sei. Es wurde gesagt, dass das das gesamte Programm sprengen würde, sagte Heide. Er bezweifle, dass es sinnvoll ist, mit Bussen in ein brandenburgisches Dorf einzufallen. Für die Berliner entscheidend ist, dass die Betroffenen, darunter vom Firmenverbund Proschim, aber auch andere Kohlegegner in die anschließende gemeinsame Sitzung der Parlamentsausschüsse im Seehotel Großräschen eingeladen werden – ebenso wie Betriebsräte und Vorstand des Vattenfall-Konzerns, der in Tagebauen der Lausitz Braunkohle abbaut und in wegen hoher Kohlendioxidausstöße umstrittenen Kraftwerken Strom produziert.

In den drei Stunden vorher machen die beiden Busse, einer mit 60 Berliner, der andere mit 50 Brandenburger Abgeordneten und Journalisten, zunächst Halt am „Welzower Fenster“ am Rande des Tagebaus. Danach können sich alle eine Einleitungsstelle in Spreezuflüsse anschauen, die durch Sulfat und Eisenocker aus Kohlegruben verschmutzt werden und zudem noch eine Grubenwasserreinigungsanlage besichtigen. „Uns ist es wichtig, dass die Probleme behandelt werden, die uns bewegen, Verockerung der Spree, Sulfatbelastungen“, betonte Heide.

Im Vorfeld hatte es im Brandenburger Wirtschaftsausschuss parteiübergreifend – mit Ausnahme der Grünen – massive Verärgerung über eine von Berlin nachträglich angemeldete Wunschliste mit Reisezielen gegeben, zu denen auch Proschim gehörte.

Bei der gemeinsamen Sitzung von fünf Ausschüssen am Nachmittag in Großräschen droht dennoch Ärger, da die Positionen im Grunde unversöhnlich sind. In Berlin sind Senat und eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus gegen klimaschädliche Kohlekraftwerke und neue Tagebaue, auch wegen der Spreeverschmutzung und Gefahren für das Berliner Trinkwasser. Das Abgeordnetenhaus hatte sich Anfang 2015 mit parteiübergreifender Mehrheit in einem Beschluss gegen neue Tagebaue in der Lausitz ausgesprochen.

In Brandenburgs Landtag halten dagegen alle außer den Grünen Kohlestrom noch Jahrzehnte für unverzichtbar. Schon auf einer gemeinsamen Sitzung der beiden Landesregierungen vor 14 Tagen waren die Positionen Brandenburgs und Berlins konträr. Brandenburgs SPD-Abgeordneter Holzschuher macht sich keine Illusionen, dass eine Einigung da kaum möglich ist. Ziel der Reise könne daher nur sein, sagte er, „gegenseitig Verständnis zu wecken“.

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