Von Johann Legner: Eine späte Verbeugung
In der Debatte über die Schaffung eines Diktaturopfer-Beauftragten herrschte seltene Einigkeit, die Linke verspricht ihre Mitarbeit
Stand:
Potsdam - Dass die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU bei der ersten Lesung werben würden für ihren Gesetzesentwurf zum Amt eines Beauftragten für die Opfer von Diktaturen, war vorhersehbar. Aber wie behutsam dies am Mittwoch im Landtag insbesondere der sonst oft poltrige CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski, der in der DDR einst selbst in Geheimdiensthaft saß, tat, führte dann zu einer überraschenden Reaktion von Heinz Vietze, der für die Linke sprach. Vietze bedankte sich ausdrücklich für den „guten Beitrag“ von Dombrowski, der ausdrücklich darauf verwiesen hatte, dass „es nicht um Abrechnung“ gehe. Und Vietze, die langjährige graue Eminenz der Vorgängerpartei PDS und einstige SED-Chef Potsdams, verband sein Angebot auch gleich mit einer persönlichen Bitte um Entschuldigung bei den Opfern der Diktatur in der DDR. Er sagte, er sei bereit, an dem Gesetzgebungsverfahren auch deswegen mitzuarbeiten, „weil ich auch die Verantwortung mittrage“.
Vietze stellte diese Mitarbeit seiner Person und auch seiner Fraktion an dem Gesetz zur Einsetzung eines Beauftragten, der sich nicht nur, wie ursprünglich geplant, um die Opfer der DDR-Diktatur, sondern auch um die des NS-Regimes kümmern soll, unter keinen prinzipiellen Vorbehalt. Er erläuterte lediglich einige der Kritikpunkte, die er an einigen Formulierungen des vorliegenden Gesetzentwurfes hat. Der grundsätzlichen Intention, den Opfern der SED, wie auch der sowjetisch bestimmten unmittelbaren Nachkriegszeit, aber auch den von dem nationalsozialistischen Regime Verfolgten zu helfen, ihre Würde zurückzugewinnen, widersprach er nicht.
Vietze schlug damit wesentlich versöhnlichere Töne an, als in dieser Sache bislang von seiner Fraktionsvorsitzenden Kerstin Kaiser zu hören waren. Er wies damit aber vor allem auch den Mitgliedern der eigenen Fraktion den Weg, die, wie etwa der Potsdamer Hans-Jürgen Scharfenberg, generell Zweifel am Sinn eines Diktatur-Beauftragten haben.
Brandenburg hat als einziges ostdeutsches Bundesland keinen Stasi-Beauftragten. Vietze sagte, es sei vor allem der Auseinandersetzung um die Stasi-Mitarbeit des früheren SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe geschuldet gewesen, dass Brandenburg vor 15 Jahren einen anderen Weg gegangen sei, als die anderen neuen Länder. Aber er sei immer der Meinung gewesen, dass den Opfern der SED „mit menschlichem Maß begegnet werden müsse“. Wenn dies im bisherigen Rahmen als nicht ausreichend erachtet werde, sei er bereit, an einem neuen Versuch mitzuarbeiten.
Der Gesetzentwurf, der noch in den letzten Stunden vor der ersten Lesung neu bearbeitet worden war, wurde gestern in die zuständigen Ausschüsse zur Beratung überwiesen. Vorgesehen ist jetzt auch eine Anhörung von Experten. Die Beschlussfassung und auch die Wahl eines Beauftragten soll noch vor der Landtagswahl im September erfolgen.
Noch bis Jahresanfang hatte die brandenburgische SPD einen Stasi-Beauftragten für Brandenburg abgelehnt. Doch am Jahresanfang, während einer Austellungseröffnung mit der einstigen brandenburgischen Bildungsministerin und heutigen Leiterin der Stasiunterlagenbehörde, Marianne Birthler, in Potsdam hatte Regierungschef Matthias Platzeck dann angedeutet, doch offen dafür zu sein.
Dombrowski sagte gestern, teilweise seien die Opfer des NS-Regimes und der DDR-Diktatur identisch. Viele Menschen seien unter beiden Diktaturen verfolgt worden. Es gehe aber nicht darum, die Diktaturen gleichzusetzen. Es gehe auch nicht um Abrechnung, sondern um Aufarbeitung.
Die SPD-Abgeordnete Sieglinde Heppener sagte über die Opfer: „Sie leben heute mit Narben auf der Seele. Wunden, die keine Zeit wirklich heilt.“ Allein die Schließung der Potsdamer Außenstelle der Birthler-Behörde Ende 2008 sei Anlass genug zur Einsetzung eines Landesbeauftragten. (mit ddp)
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