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Brandenburg: Eine Straße spaltet ein Dorf

Im uckermärkischen Annenwalde wird nicht nur um Pflastersteine erbittert gestritten

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Annenwalde - Im uckermärkischen Annenwalde herrscht seit Dienstagfrüh so etwas wie ein Ausnahmezustand. Am Morgen rückte eine Baufirma mit großer Technik im Ort an, um die etwa 600 Meter lange Pflasterstraße, die Annenwalde mit dem Nachbarort Densow verbindet, mit einer Asphaltdecke zu überziehen. Der genaue Beginn der Bauarbeiten war geheim gehalten worden. Offensichtlich wollten die Baufirma und ihr Auftraggeber, die Kreisverwaltung Uckermark verhindern, dass es zu Protestaktionen gegen den Straßenbau kommt. Widerstand gegen die Bauarbeiten war seit Monaten angekündigt.

Eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Pflasterstraße hatte schon Anfang des Jahres auf einer Kreistagssitzung gegen den geplanten Straßenbau protestiert. Hier handele es sich um ein Denkmal, um eine der schönsten Alleen der Region. Sie werde durch den Straßenbau gefährdet, argumentierten die Alleenschützer, die sich zumeist aus Neu-Annenwaldern rekrutieren, die aus der Großstadt in die uckermärkische Idylle gezogen waren. Der Ort setze auf Tourismus. Und Besucher mögen alte Pflasteralleen mehr als schnelle Asphaltpisten, sagen sie.

Die Alteingesessenen um die Ortsbürgermeisterin Karin Hockauf finden es hingegen toll, dass sie sich bald nicht mehr langsam über das Huckelpflaster quälen müssen, sondern zügig in Annenwalde einfahren können. Die „Denkmalschutzwut“ der Zugezogenen ist vielen von ihnen ein Dorn im Auge. „Die sollen uns damit in Ruhe lassen“, sagt Hockauf.

Am Dienstagmorgen nun trafen die Parteien im Angesicht der Baumaschinen aufeinander. Auf der einen Seite jubelten Alt-Annenwalder. „Endlich geht der Straßenbau los. Es wurde Zeit, dass wir einer kleinen Minderheit von Annenwaldern zeigen, dass wir uns mit unseren berechtigten Forderungen durchsetzen“, freut sich Oliver Sayons vom Annenwalder Ortsbeirat. Auf der anderen Seite schauten die Aktivisten der Bürgerinitiative mit verkniffenen Mienen auf das Baugeschehen. Einige der Pflaster-Freunde stellten noch schnell ihre Autos auf den Sommerweg neben der Straße, um die Baufahrzeuge zu blockieren. Sie hatten dafür gesorgt, dass die Allee noch im Frühjahr unter Denkmalsschutz gestellt wurde und gehofft, die Pflasterstraße damit zu retten. Vergeblich: Der Landkreis sagte die Baumaßnahme nicht ab.

„Wir zerstören hier kein Denkmal, sondern reparieren eine Straße. Die Pflasterung bleibt unter der neuen Decke erhalten. Sie wird sozusagen konserviert“, sagte der uckermärkische Baudezernent Reinhold Klaus.

Für einige der Neu-Annenwalder offenbart sich in diesem Streit ein Kampf der Kulturen. „Hier geht es doch gar nicht mehr um die Straße“, sagt Gudrun Steinwedel von der Bürgerinitiative. „Hier geht es darum, Recht zu behalten, uns zu zeigen, wer das Sagen im Ort hat, unsere Ideen von Ortsentwicklung abzuqualifizieren“, sagt sie.

Auf der anderen Seite hagelt es ähnliche Vorwürfe. „Das wird nie ein Zusammenwachsen mit denen geben. Die wollen uns ihre Lebensweise, ihren ganzen Denkmalsschutz aufzwängen. Wir brauchen sie nicht, wir brauchen auch ihre Touristen nicht, die mit ihren Bussen Staub und Lärm machen“, sagt eine Frau aus dem Tross der Alt-Annenwalder.

Die Bürgerinitiative zog nach mehreren Stunden ab. Die Bauarbeiten gehen ungehindert voran. Dennoch hofften die Alleenschützer zunächst noch auf eine einstweilige Anordnung, die ihr Anwalt gegen den Bau beantragt hat. Die jedoch wurde vom Verwaltungsgericht Potsdam noch am Vormittag abgelehnt, wie eine Sprecherin mitteilte. Das Denkmalschutzrecht diene allein dem öffentlichen Interesse.

Juliane Sommer

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