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Von Alexander Fröhlich und Peter Tiede: Eine Wache unter Verdacht

Ludwigsfelde trifft der Polizeiskandal wie aus dem Nichts / Im Milieu gab es Gerüchte

Stand:

Ludwigsfelde/Potsdam - Glauben will es so recht niemand auf den Straßen von Ludwigsfelde, was da in den Zeitungen behauptet wird: Auf der städtischen Polizeiwache sollen mindestens vier Gefangene von leitenden Polizisten misshandelt worden sein – und völlig offen ist, wie viele örtliche Polizisten noch mitgemacht haben oder davon wussten und schwiegen. In der Stadtverwaltung, in den Geschäften und unter den Passanten, die ihre Einkäufe erledigen an diesem Dienstagvormittag, hatte zuvor niemand auch nur etwas gehört von den Ungeheuerlichkeiten, die sich zwischen Sommer 2006 und Sommer 2007 abgespielt haben sollen. Kein Gerücht, nichts.

Die – bisher noch unbewiesenen Vorwürfe klingen auch zu ungeheuerlich für Brandenburgs Polizei, der erst vor kurzem in einer Bürgerbefragung eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung und ein guter Ruf bescheinigt wurde. Ein Dienstgruppenleiter und der Wachdienstführer sind am Montag vom Dienst suspendiert worden, der Rest der Schichtgruppe ist auf andere Wachen des Polizeipräsidiums Potsdam versetzt und durch Beamte aus anderen Schutzbereichen ersetzt worden.

60 Polizisten arbeiten auf der Wache in Ludwigsfelde – 40 davon, aufgeteilt in fünf Dienstgruppen rund um die Uhr im Wach- und Schutzdienst. Wie viele Beamte zu der beschuldigten Dienstgruppe gehörten, sagt das Polizeipräsidium nicht – „etwas mehr als eine handvoll Beamte“, heißt es intern. „Aber am Pranger stehen wir nun alle – irgendwie“, sagt ein Beamter der Wache.

In einer Anzeige aus den eigenen Reihen wird den beiden leitenden Beamten vorgeworfen, mindestens vier Gefangene im Polizeigewahrsam brutal geschlagen zu haben (PNN berichteten). In einem Fall soll einer der beiden den Kopf eines Mannes gegen die Zellenwand geschlagen haben. Und immer soll es sich um Männer vom „sozialen Rand der Gesellschaft“ gehandelt haben, wie es ein Ermittler ausdrückte.

Und in der Herkunft der vermeintlichen Opfer sehen Ermittler auch einen Grund dafür, dass solange nichts bekannt geworden ist, dass sich die Opfer selbst nicht meldeten, dass erst die Anzeige eines – auch von wohlwollenden Kollegen als nicht ganz einfach eingestuften Polizisten – die Sache ins Rollen brachte.

Der ehrenamtliche Leiter der Ludwigsfelder Bürgerküche, der Stadtverordnete Erich Ertl, hat auch nichts gehört – auch kein Gerücht. Ertl und seine Helfer bieten im Kulturhaus werktags ein warmes Mittagessen für Bedürftige an, verteilen zwei Mal in der Woche Lebensmittel und verkaufen günstig Haushaltswaren und Kleidung. Überhaupt, sagt Ertl, seien kaum noch Ludwigsfelder als Beamte in der Wache tätig. „Die kennt man kaum noch, das ist nicht mehr wie früher. Die kommen jetzt aus Potsdam oder Luckenwalde.“ Nur einer seiner Helfer, ein Mann um die 50, der seinen Namen nicht nennen will, will mal was gehört haben über die Vorgänge auf der Wache – aber nichts Näheres, wie er versichert.

Im Zeitungsladen, gleich gegenüber von Kulturhaus und Armenküche, decken sich früh am Tag zwei Männer mit Bier ein. Der eine will nichts wissen und duckt sich weg. Der andere, Mitte 40 und vom Alkohol deutlich im Gesicht gezeichnet, trinkt sein Bier und sagt schließlich: „Ja, ich weiß davon.“ Mehr habe er dazu nicht zu sagen – „weil ich keine Probleme mit der Polizei bekommen will“. Leute wie er hätten es zuweilen schwer mit den Beamten; da müsse man sich mit ihnen gut stellen.

In diesen Kreisen erstatte man keine Anzeige gegen Polizisten, so ein Ermittler. Und erst recht nicht, wenn es gegen die örtlichen Streifenpolizisten geht.

Innerhalb der Polizei verweist man immer wieder darauf, dass der Umgang mit der Klientel nicht immer einfach sei, gepöbelt, randaliert und auch schon mal auf die Beamten eingeschlagen werde. Da könne man schon mal gröber werden. Aber so etwas, wie es nun den Beamten in Ludwigsfelde vorgeworfen wird, dürfe nicht passieren. Und wenn doch? „Dann muss die Polizeiführung vor Ort sofort eingreifen“, sagt ein Experte aus der Polizeiführung. Das Problem in Ludwigsfelde sei aber offenbar gewesen, dass es ausgerechnet die Leitung der Dienstgruppe war, die handgreiflich geworden sein soll. „Da ist dann auch für andere Beamte die Hemmschwelle enorm hoch, einzugreifen.“

Doch den Ermittlern stellt sich nicht nur die Frage, wer alles weggesehen hat. Sie fragen sich, wer noch alles aktiv mit gemacht hat. Denn entgegen ersten Berichten sollen Dienstgruppenleiter (DGL) und Wachdienstführer die Taten nicht gemeinsam begangenen haben: „Das geht nicht, denn der DGL und der Wachdienstführer sind in der Regel nie gemeinsam in der Wache – einer ist immer draußen, während der andere den Innendienst leitet“, so ein Beamter gestern. Daher gehen die Ermittler derzeit davon aus, dass bei den Übergriffen noch andere Polizisten anwesend waren.

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