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Der V-Mann "Piatto" war in den 90ern ein führender Kopf der rechtsextremen Szene in Brandenburg.

© Marc Müller/dpa (Archiv)

Verfassungsschutz in Brandenburg: Einen Fall „Piatto“ soll es kein zweites Mal geben

Brandenburg will demnächst sein Verfassungsschutzgesetz novellieren. Experten haben allerdings Bedenken.

Potsdam - Lange war innerhalb der rot-roten Koalition über eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes in Brandenburg gerungen worden, doch bei mehreren Linken-Abgeordneten gibt es weiterhin Bedenken. Im Juni nun soll das neue Gesetz im Landtag verabschiedet werden – aber nun äußern Experten Kritik an der Novelle. In einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags am Montag identifizierte nicht nur Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge kritische Stellen in dem rot-roten Entwurf (PNN berichteten), sondern auch der Freiburger Rechtswissenschaftler Benjamin Rusteberg. 

Der Entwurf beinhalte ein „sehr, sehr weites Ermessen der Verfassungsschutzbehörde“, welche Informationen sie weitergeben könne. Es müsse aber verhindert werden, dass der Verfassungsschutz eine „Infoherrschaft“ gegenüber anderen Institutionen wie der Polizei oder der Staatsanwaltschaft ausübe. Die für die Strafverfolgung zuständigen Behörden dürften nicht vom Gutdünken des Nachrichtendienstes abhängig sein.

Brandenburg könnte bundesweit Vorreiterrolle haben

Für die Weitergabe von Informationen an die Polizei müssten Kriterien im Gesetz verankert werden, forderte auch Brandenburgs frühere Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber in der Anhörung. „Wie soll das gehandhabt werden, ohne das Trennungsgebot zu verletzen?“, fragte die ehemalige Polizeipräsidentin von Frankfurt (Oder), die den Landesnachrichtendienst von 2004 bis 2013 führte. Brandenburg hätte die Chance gehabt, dafür im Gesetzentwurf eine gute Regelung zu finden und damit bundesweit eine Vorreiterrolle zu spielen. Sie sei enttäuscht, dass diese Chance nicht ergriffen worden sei – „aber Brandenburg kann ja nicht in allen Bereichen Spitzenreiter sein“.

Aus ihrer praktischen Erfahrung könne sie sagen, dass der Verfassungsschutz zumindest zu ihrer Zeit Informationen an die Polizei gegeben habe, wenn es um die Prävention von Straftaten ging, erklärte Schreiber. „Es kann keinen Zweifel daran geben, dass solche Informationen weitergegeben werden müssen.“ Wenn aber beispielsweise ein vertrockneter Lorbeerkranz an einer Gedenkstätte angezündet worden sei, dann habe man die Info zum Täter wegen Nichtigkeit für sich behalten. Klar sei: „Wer die Quelle weiter braucht, kann sie nicht enttarnen.“ Aus ihrer Sicht sei es grundsätzlich unerlässlich, mit Quellen zu arbeiten. Nach dem Fall „Piatto“ hatte es darüber eine Diskussion gegeben, vor allem bei den Linken gab es Vorbehalte, was den Einsatz von V-Leuten angeht, sagte Schreiber.

Keine Zusammenarbeit mit Informanten, die schwere Straftaten begangen haben

Ein zweiter Fall „Piatto“ sei mit dem Gesetzentwurf aber ausgeschlossen, erklärte der CDU-Politiker Clemens Binninger, der Vorsitzender des zweiten NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags war. In dem Gesetzentwurf sei klar geregelt, dass es keine Zusammenarbeit mehr mit Informanten geben dürfe, die schwere Straftaten begangen haben. „Das ist ein großer Gewinn“, so Binninger, eine rote Linie werde damit nicht mehr überschritten. 

Der frühere V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes, Carsten Sczcepanski alias „Piatto“, um den sich der NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag maßgeblich drehte, war in den 90ern ein führender Kopf der rechtsextremen Szene in der Mark und wurde wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer verurteilt.

Verfassungsschutzgesetz müsste spezifiziert werden

„Ohne Quellen kommt man nicht aus, aber man muss das Risiko minimieren“, erklärte Winfriede Schreiber. Insgesamt könne man mit dem geplanten neuen Verfassungsschutz durchaus arbeiten, sofern einige Spezifizierungen getroffen wurden – „und sofern man genügend qualifizierte Auswerter hat“. 

Nicht das Sammeln von Informationen, sondern das Auswerten sei „die Königsdisziplin“ des Verfassungsschutzes. Die über Jahre unterbesetzte Behörde soll wie berichtet um 37 Stellen aufgestockt werden. Die Ausschreibungen laufen.

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