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Brandenburg: Eingedampftes Badeparadies
Einfache Straße statt begrünte Allee bis an den Strand: Cottbus streicht seine Vision einer verheißungsvollen Zukunft als Ostsee-Stadt zusammen – aus Kostengründen und aus Sorge um das Wasser
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Cottbus - Groß waren die Hoffnungen, als 2006 endlich der Masterplan „Cottbuser Ostsee“ auf dem Tisch lag. Ein gefluteter ehemaliger Tagebau sollte zum größten Binnensee der Region werden und der abwanderungsgeplagten Lausitzstadt eine neue Perspektive als begehrter Badeort verschaffen. Vorgesehen war eine Infrastruktur, die keine Wünsche offen lässt. Ein Amphitheater war genauso geplant wie mehrere Häfen, darunter ein großer Binnenhafen bei Merzdorf. Eine knapp hundert Meter breite, üppig begrünte Allee, der sogenannte Parkway, sollte Touristen und Ausflügler auf direktem Wege aus der Stadt dorthin und an den Strand führen. Rund sieben Jahre später ist bei vielen in der Region Ernüchterung eingekehrt: Am heutigen Mittwoch beraten die Stadtverordneten von Cottbus über eine neue, mittlerweile deutlich abgespeckte Variante eines künftigen Bade-Mekkas an dem Cottbuser Ostsee – ohne Amphitheater und mit geschrumpftem Parkway.
Aus Sicht von Martin Kühn, Grüner Stadtverordneter der SPD/Grünen-Fraktion, ist die Finanzlage der Stadt so defizitär, dass es gar keine Alternative gibt als die einst „hochfliegenden Pläne“ zurechtzustutzen. „Aus meiner Sicht sind die Pläne jetzt mit realistischerem Blick eingedampft worden.“ Ein Bauvorhaben wie das geplante Amphitheater etwa sei für die Stadt derzeit gar nicht bezahlbar. Nun wolle lediglich der Platz unbebaut bleiben, falls sich möglicherweise noch ein Investor findet, der das Theater auf eigene Kosten bauen möchte. Auch den Parkway mit seinem rund 60 Meter breiten Park und kleinen Gewerbeeinheiten werde es laut des überarbeiteten Plans nicht geben, sagt Kühn. „Jetzt ist es nur noch eine Straße.“ Von dem ursprünglich geplanten Binnenhafen mit Platz für 100 bis 150 Boote hatte man sich bereits 2007 verabschiedet – ebenfalls aus Kostengründen. 14 Millionen Euro hätte der Hafen gekostet, davon allein sechs Millionen der notwendige Aushub.
Ohnehin ist die Cottbuser Ostsee bislang nicht viel mehr als eine Vision, denn trotz mehrfacher Ankündigungen hat der schwedische Staatskonzern Vattenfall bisher nicht den notwendigen Antrag auf eine Genehmigung einer Flutung der Förderstelle beim zuständigen Landesbergamt Brandenburg (Lbgr) eingereicht. 2015 will Vattenfall den Tagebau Cottbus-Nord einstellen. 2018 will das Unternehmen nach eigenen Angaben mit den Vorbereitungen zur Flutung beginnen und damit einlösen, was das Unternehmen 2006 als Gegenleistung für die umstrittene Abbaggerung der sogenannten Lakomaer Teiche zusicherte, eines artenreichen 380 Hektar großen Areals nördlich von Cottbus.
Ursprünglich wollte Vattenfall den Antrag bereits 2010 eingereicht haben, zuletzt hieß es Ende September 2013. Doch noch immer ist nichts passiert, bestätigt sowohl Vattenfall als auch das Landesbergamt. Eine Frist, innerhalb derer Vattenfall den Antrag einreichen muss, sei allerdings nie gesetzt worden, so Landesbergamts-Präsident Klaus Freytag. „In der Planfeststellung heißt es lediglich rechtzeitig.“ Aus seiner Sicht liege dies vor allem im Ermessen des Antragsstellers, der wissen müsse, das hintendran noch viele Verfahren und Prüfungen kämen, sagt Freytag. „Solange der Bescheid nicht da ist, darf der See nicht entstehen.“ Allerdings habe Vattenfall zuletzt signalisiert, die Unterlagen würden Anfang kommenden Jahres eingereicht, so der Lbgr-Chef. Das bestätigt auch Vattenfall-Sprecher Thoralf Schirmer.
René Schuster von der Umweltschutzorganisation Grünen Liga in Cottbus vermutet, der Grund dafür, dass der Antrag bislang nicht abgegeben wurde, sind Probleme Vattenfalls mit dem Wasserhaushalt des künftigen Wassersportparadies. „Entweder hinsichtlich der Wasserqualität oder aber bei der Frage des Ablaufs“, glaubt Schuster. Bei vielen anderen befüllten Tagebaulöchern in der Lausitz traten in der Vergangenheit erhebliche Probleme durch chemische Reaktionen von freigesetzten Schwefelmineralen mit Sauerstoff und Wasser auf. In einigen der künstlichen Seen wurde das Wasser so sauer, dass dort höher entwickeltes Leben kaum noch möglich war. Wie berichtet haben zudem Auswaschungen aus ehemaligen Tagebauen in Sachsen Anfang des Jahres zu einer rostbraunen Verfärbung der Spree geführt – zum Entsetzen vieler Tourismusanbieter. „Der Cottbuser Ostsee ist der erste Tagebausee, der im Prinzip von einem Privatunternehmen geflutet wird und nicht in Verantwortung der Öffentlichen Hand. Es wäre wichtig, zu wissen, ob sich die Leute in der Region auf die gleichen Probleme einstellen müssen, wie sie an den anderen Seen aufgetreten sind“, sagt Schuster, der zudem im Braunkohleausschuss des Landes sitzt.
Der Cottbuser Stadtverordnete Kühn ist ebenfalls skeptisch. „Ich finde es einfach riskant, viel Geld für eine Pfütze einzusetzen, die vielleicht gar nichts bringt. Die anderen Tagebauseen sind mir da ein Warnsignal.“ Schließlich werde der Cottbuser Ostsee im Schnitt gerademal drei Meter tief sein, so Kühn. In heißen Sommern könnte es durch die hohe Verdunstungsrate zu Einbußen bei der Wasserquallität kommen“, fürchtet der Grünen-Lokalpolitiker. Sauerstoffarmut und hohe Temperaturen sind für fast alle Lebensformen äußerst ungünstig.“ Matthias Matern
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