zum Hauptinhalt
Warten ohne Gedränge. Wie hier am Bahnhof Gransee (Oberhavel) sieht es an vielen Haltestellen in Brandenburg aus. In manchen Ortschaften wird pro Tag weniger als 50-mal ein- und ausgestiegen. Zu wenig, findet Brandenburgs Verkehrsminister.

© Thilo Rückeis

Brandenburg: Einsam an der Bahnsteigkante

Insgesamt 60 Bahnhöfe lässt die brandenburgische Landesregierung derzeit auf ihre Wirtschaftlichkeit untersuchen. Der Grund: Kaum einer benutzt sie

Von Matthias Matern

Stand:

Potsdam/Berlin - Bereits heute sind manche Orte im Land Brandenburg kaum oder gar nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Nun könnten weitere Dörfer ihre bislang verlässlichste Verbindung zum nächstgelegenen Zentrum und darüber hinaus verlieren: Insgesamt 60 Bahnhöfe landesweit lässt das brandenburgische Infrastrukurministeriums derzeit auf ihre Wirtschaftlickkeit hin untersuchen, darunter auch die Haltestellen Ferch-Lienewitz und Buchholz-Zauche in Beelitz (beide Potsdam-Mittelmark). Hintergrund für die Analyse, die Brandenburgs Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) auch in den jüngsten Nahverkehrsplan des Landes geschrieben hat, ist die geringe Auslastung der Bahnhöfe. „Die Bahnhöfe haben alle weniger als 50 Ein- und Ausstiege pro Tag“, bestätigt Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade. In einigen Fällen droht sogar das Aus. Während das Land bei den meisten der 60 Stopps offensichtlich Möglichkeiten sieht, die Auslastung zu optimieren, sieht Vogelsänger bei zwölf Bahnhöfen Entscheidungsbedarf.

Bestimmt werden die Kosten eines Bahnhofs im Wesentlichen durch die sogenannten Stationspreise oder Haltegebühren, die die Deutsche-Bahn-Tochter DB Station&Service von den Eisenbahnverkehrsunternehmen für einen Halt in einem Bahnhof verlangt. Die Verkehrsunternehmen wiederum stellen den Ländern als Besteller der Verbindung die gebühren in Rechnung. Dem Ministerium zufolge lagen die Stationsentgelte 2012 für kleinere Haltepunkte bei 3,58 Euro bis 3,91 Euro pro Halt. Der finanzielle Aufwand für die Bestellung einer Station mit stündlicher Bedienung summiere sich somit auf rund 50 000 Euro im Jahr, für einen Stopp alle zwei Stunden auf etwa 30 000 Euro. Angesichts der ohnehin knappen Mittel für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) habe man die 60 Bahnhöfe „auf den Prüfstand gestellt“. Bei einer ganzen Reihe der Haltpunkte liege die Auslastung weit weg von der Marke 50 Ein- und Ausstiege. Diese sei übrigens nicht willkürlich, sondern werde auch von anderen Bundesländern als Maßstab für die Wirtschaftlichkeit angeleget, so Schade. Es sei jetzt auch Sache der Kreise und der dort ansässigen Verkehrsunternehmen zu überlegen, wie man künftig vor Ort mehr Verkehr auf die Schiene bekommen könne. „Allerdings muss jeder Fall spezifisch diskutiert werden“, sagt der Ministeriumssprecher.

Entscheidungsbedarf sieht Vogelsänger bei zwei Bahnhöfen in der Uckermark, einem im Kreis Teltow-Fläming, einem im Kreis Dahme-Spreewald sowie bei je drei in den Kreisen Elbe-Elster und Spree-Neiße. An der Berechnung der Stationsgebühren jedoch gibt es seit Langem Kritik. Auch Jens-Uwe Schade hält das Verfahren mit 196 Kriterien für „wenig transparent“. Zwar ist die Summe aller Stationsentgelte landesweit zuletzt um 1,8 Prozent gesunken, die beiden Bahnhöfe Potsdam und Cottbus wurden aber durch eine Preiserhöhung um rund 60 Prozent zu den teuersten Bahnhöfen Deutschlands gemacht. Mussten 2012 noch 28,55 Euro für die Halte in Cottbus und Potsdam gezahlt werden, sind es jetzt knapp 45 Euro. Im Berliner Hauptbahnhof kostet der Stopp nur 18,05 Euro. „Wir kritisieren die Erhöhung, sie ist einfach nicht nachvollziehbar. Selbst die Bundesnetzagentur hat große Probleme damit“, meint Schade.

Eine Gelegenheit, der Deutschen Bahn bei der Gestaltung der Stationsentgelte einen Aufpasser zur Seite zu stellen, wurde aber gerade erst verpasst – mit Unterstützung der rot-roten Landesregierung. Am vergangenen Freitag erteilten die SPD-geführten Bundesländer dem sogenannten Eisenbahnregulierungsgesetz von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine Absage. Das Gesetz sah unter anderem vor, die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde einzusetzen.

Dass der Gesetzesentwurf abgelehnt wurde, hält Christfried Tschepe, Vorstand beim regionalen Fahrgastverband IGEB, für bedauerlich. „Die Bahn macht mit den Gebühren Gewinn, um damit in anderen Bereichen zu investieren, statt das Geld in die Infrastruktur zu stecken. Das ist ein unhaltbarer Zustand“, so Tschepe. Das sieht auch Frank Böhnke, Landesvorsitzender Berlin-Brandenburg beim Deutschen Bahnkundenverband, so. „Der Monopolist legt völlig unnachvollziehbar und intransparent die Betriebskosten fest. Brandenburgs Landesregierung ist zum Teil selbst schuld, dass das jetzt so bleibt“, findet Böhnke.

Die Wirtschaftlichkeit der Bahnhöfe zu überprüfen, halten beide Kundenverbände jedoch für richtig. Tschepe geht sogar davon aus, dass das Aus für den einen oder anderen unausweichlich ist. „In Einzelfällen wird sich das nicht vermeiden lassen“, so der IGEB-Vorstand. Böhnke dagegen warnt. Es sei zwar richtig, auch die Wirtschaftlichkeit zu betrachten, man dürfe aber die Wirkung nicht außer Acht lassen. „Gerade in dünnbesiedelten Regionen sind solche Halte enorme wichtig, weil sie oft die einzige Möglichkeit sind, in verlässlicher Zeit die Kreistadt oder das nächste Zentrum zu erreichen. Solche Haltepunkte zu schließen, kann ungeahnte Konsequenzen haben und treibt die Leute dazu nur noch mehr ins Auto“, sagt der Landesvorsitzende des Bahnkundenverbandes.Matthias Matern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })