Brandenburg: Elektronische Fußfesseln für Berlin
Rückfallgefährdete Täter können überwacht werden / Brandenburg wartet ab und sucht Länder-Lösung
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Von Alexander Fröhlich und Hannes Heine
Berlin/Potsdam - Die Berliner Justiz bereitet sich auf den Einsatz elektronischer Fußfesseln vor. Rückfallgefährdete Sicherungsverwahrte können nach ihrer Entlassung mit elektronischen Fußfesseln oder Armbändern überwacht werden, wenn ein Gericht dies anordnet. Nachdem der Bundesrat kürzlich eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung beschlossen hatte, reagiert nun die Justiz. Nach Informationen dieser Zeitung hat Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) für den Doppelhaushalt 2012/13 elf Zusatzstellen beantragt: Sechs der Beamten sollen im Bedarfsfall die Überwachung mit Fußfesseln ausgestatteter Ex-Gefangener sicherstellen. Ob Entlassene überwacht werden, entscheiden Richter. Sie können anordnen zu überprüfen, ob sich Ex-Insassen an die Weisungen der behördlichen Führungsaufsicht halten, etwa Schulen, Kitas oder einschlägige Milieus zu meiden.
Bis zum Einsatz von Fußfesseln könnte allerdings noch ein Jahr vergehen, die Posten im Landeshaushalt wurden vorsorglich beantragt, um später nicht ohne Budget dazustehen. Trotz technischer Fortschritte sei es in einer derart „engmaschigen Großstadt“ wie Berlin nicht einfach, ein verlässliches Überwachungssystem zu installieren, hieß es. In Hessen hatte es einen Versuchslauf gegeben. Auf Überwachungsmonitoren alle relevanten Orte – etwa Schulen – und gleichzeitig Entlassene bei Fahrten durch die Stadt im Blick zu haben, sei schwierig. Kein Bundesland ist derzeit technisch in der Lage, Fußfesseln flächendeckend einzusetzen.
Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg dagegen will vorerst keine Alleingänge bei elektronischen Fußfesseln wagen. Tatsächlich war das bislang auch nicht notwendig. „Es hat noch kein Richter in Brandenburg das Tragen von Fußfesseln angeordnet“, hieß es aus dem Justizministerium. Allerdings wird auch bestätigt, dass es erste Gespräche mit anderen Bundesländern gegeben habe. Demnach könnten von Hessen aus Fußfessel-Träger überwacht werden.
Von der Aue, die derzeit auf Dienstreise in Brüssel ist, hatte sich kritisch über das Bundesgesetz zur Sicherungsverwahrung geäußert. Nun muss die Senatorin die Regelung umsetzen, obwohl sie im Bund versucht hatte, den Einsatz von Fußfesseln zu verschieben. Anwälte, aber auch Richter, warnten grundsätzlich vor Panik: Rückfallgefahr bestehe bei Ex-Häftlingen jeder Couleur, bei Sicherungsverwahrten wird sie Studien zufolge mit weniger als fünf Prozent angegeben. Wichtiger als Überwachung sei es, langjährige Insassen an die ungewohnte Freiheit zu gewöhnen. „Immerhin gibt es in Berlin nun Versuche, Sicherungsverwahrte auf die Entlassung vorzubereiten, Bundesländer wie Bayern tun dahingehend nichts“, sagte Sebastian Scharmer, Berliner Anwalt und Sachverständiger des Bundestags-Rechtsausschusses. So werden als problematisch eingestufte Ex-Gefangene durch die Forensisch-Therapeutische Ambulanz betreut. Scharmer vertritt Sicherungsverwahrte, die freiwillig Fußfesseln tragen würden, um entlassen zu werden.
Zuletzt wurde diesen März ein Berliner Sicherungsverwahrter entlassen, der 1995 wegen Totschlags verurteilt worden war. Demnächst kommt ein 70-Jähriger frei, der seit 1969 wegen drei Tötungsdelikten inhaftiert ist. Er bleibt wohl in der Vollzugsanstalt Tegel, weil ihn bislang kein Heim aufnimmt. Zehn weitere Männer könnten 2011 folgen. In Berlin sitzen 42 Sicherungsverwahrte ein. Weitere 70 sind noch in regulärer Haft, ihnen droht danach ebenfalls Sicherungsverwahrung.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die deutsche Justiz mehrfach gerügt, unter anderem weil Sicherungsverwahrte ihre Strafe schon verbüßt haben und nicht wie Gefangene behandelt werden dürfen. Außerdem hätten einige überhaupt nicht mehr in Gewahrsam sein dürfen. In Berlin sollen alle Entlassenen zwei Bewährungshelfer bekommen, einen Mann und eine Frau. Aus Justizkreisen heißt es, mit 100 Bewährungshelfern in der Stadt sei man schon jetzt kaum dazu in der Lage. Daran wird auch der Haushaltsantrag der Senatorin wenig ändern: Von elf neuen Justizstellen sind fünf für Bewährungshelfer vorgesehen.
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