zum Hauptinhalt

Brandenburg: Eltern sturztrunken, Säugling kam in Obhut

Kindernotdienst musste Weihnachten ausrücken

Stand:

Berlin - Die Eltern hatten es Heiligabend fest versprochen: keinen Alkohol mehr, nicht einen Schluck. Doch als die Mutter des zehn Monate alten Mädchens nur einen Tag später ans Telefon ging, war ihr Lallen unüberhörbar. Nun gab es für den Kindernotdienst kein Zögern mehr: Er schickte einen Mitarbeiter in die Wohung in Berlin-Marzahn und informierte umgehend die Polizei. Vater und Mutter, das ergab später ein Test, hatten deutlich über zwei Promille im Blut.

Der Säugling lebt seit Montag nun in dem Kreuzberger Haus des Kindernotdienstes. Es geht hier verhältnismäßig ruhig zu, am zweiten Weihnachtsfeiertag. Zwei kleine Kinder haben die Sozialarbeiter Heiligabend wieder zu ihren Eltern entlassen – mit strengen Auflagen und ständigen Kontrollen. Nur drei Betten sind derzeit belegt. „Im Oktober und November hatten wir oft bis zu zwölf Kinder hier, darunter sehr viele Kleinkinder“, sagt Uwe Bock-Leskien vom Berliner Notdienst. Ein dreijähriges Mädchen ist Freitagnachmittag dazugestoßen, nachdem die Polizei die Sozialarbeiter informiert hatte. Seine Mutter war Passanten aufgefallen, als sie mit ihrer kleinen Tochter sturztrunken in Neukölln unterwegs war.

Uwe Bock-Leskien blättert durch die Statistik: Acht Kinder hat der Notdienst während der „eher ruhigen“ Weihnachtstage in Obhut genommen, außerdem haben die Mitarbeiter sechzehn hilfesuchende Väter oder Mütter beraten. „In den meisten Fällen ging es um Sorgerechtsauseinandersetzungen“, sagt Uwe Bock-Leskien. Denn gerade zur Weihnachtszeit würde vielen Eltern eine gerade zurückliegende Trennung oder Scheidung besonders bitter aufstoßen.

Eltern, die ihre Babys vernachlässigen, Eltern, die ihre Kinder misshandeln – das gehört beim Notdienst zum Alltag. Rund 800 Inobhutnahmen zählen die Sozialarbeiter hier jedes Jahr und etwa 2000 Beratungsgespräche. Ähnliche Zahlen erwartet Bock-Leskien auch wieder für 2006. „Im Moment stehen wir bei genau 1911 Gesprächen.“ Die Öffentlichkeit erfährt meist nur etwas von den schlimmsten Fällen, zum Beispiel Mitte Dezember, als ein 9-jähriger Junge und seine 14-jährige Schwester von der Polizei eher zufällig in einer völlig verwahrlosten Lichtenberger Wohnung entdeckt wurden. In den vier Zimmern stolperten die Beamten über zahlreiche Kaninchen, mehrere Katzen, ein Aquarium und eine Voliere. Tierkot und Katzenstreu waren überall verteilt. Auch diese beiden Kinder kamen zunächst zum Notdienst nach Kreuzberg.

Eines hat den Mitarbeitern die Arbeit erleichtert, sagt Bock-Leskien. „Es melden sich jetzt öfter Nachbarn oder Passanten, denen etwas aufgefallen ist.“ Die Leute vom Notruf sind auf diese Anrufe angewiesen, da Behörden und Familienhelfer erst eingreifen dürfen, wenn es Anzeichen für eine Vernachlässigung gibt. „Da kann dann auch mal eine Falschmeldung dabei sein“, sagt Bock-Leskien.

Falscher Alarm ist in dem Kreuzberger Haus eben eher ein Grund zur Freude. Wie bei dem 13-jährigen Mädchen, das am ersten Weihnachtsfeiertag in Kreuzberg vor der Tür stand. Es traute sich nicht nach Hause, aus Furcht vor seinen Eltern und Angst vor schlimmen Strafen. Als dann die Eltern beim Notdienst eintrafen, wurde Uwe Bock-Leskien schnell klar: „Das war alles gar nicht so schlimm.“ Die Familie konnte noch am selben Abend wieder vereint ins Weihnachtsfest entlassen werden. Katja Füchsel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })