Brandenburg: Ende eines Waffenstillstands
Im Duell um die Nachfolge von Parteichef Schönbohm landen die Unterstützer von Ex-Generalsekretär Petke einen zweifelhaften Coup – Zehn Tage vor dem Wahlparteitag ist die CDU wieder in Aufruhr
Stand:
Die Nachricht vom „Putsch“ in Potsdam erreicht Ulrich Junghanns ein paar Minuten zu spät: Er ärgert sich – denn es wäre eine Steilvorlage gewesen. Aber als der Anruf eingeht und er ungläubig um Fassung ringt, kurz vor 20 Uhr im Hotel Wiwo im südbrandenburgischen Forst, ist die Mitgliederversammlung der CDU im Kreis Spree-Neiße mit den beiden Kandidaten für den Vorsitz der Brandenburger Union schon vorbei. „Wie kann man nur so etwas tun!“, entfährt es Junghanns.
Ein paar Schritte weiter steht Sven Petke, lächelnd, er schüttelt Hände und ruft fröhlich in das allgemeine Aufbrechen: „Lasst uns doch noch ein Bier trinken.“
In diesem Moment wissen nur Junghanns und er, was sich gerade in Potsdam abgespielt hat. So ist die Stimmung in Forst ausgesprochen gut. Viele Christdemokraten sind erleichtert, dass die beiden Männer, die um die Nachfolge Jörg Schönbohms kämpfen – der bodenständige Wirtschaftsminister Junghanns und der forsche Ex-Generalsekretär Petke – „so ordentlich miteinander“ umgegangen seien, wie einer sagt. Das lasse hoffen für die Zeit nach dem Parteitag am 27. Januar in Frankfurt (Oder). Nichts wünscht man sich auch in Forst sehnlicher, als dass „dieser Wahnsinn in der Führung“, die „ständigen Grabenkämpfe“ endlich beendet werden. Und deshalb will man auch hier nur allzu gern dem Versprechen glauben, das Sven Petke abgab, und das seine Wirkung nicht verfehlte: „Ulrich und ich, wir sind per du. Wir werden nach dem 27. Januar beide in der Partei Verantwortung tragen“ – so sagte es der wegen der E-Mail-Affäre geschasste Ex-Generalsekretär. Und weiter: „Ich möchte auch danach aufrechten Ganges durch den Landtag gehen. Dann sollen die Leute sagen: Er hat hart gekämpft, aber er ist fair dabei geblieben.“
Fairness ist freilich eine relative Kategorie. Denn zur gleichen Zeit, als Petke in Forst für Aufrichtigkeit plädiert, gehen seine Freunde im tief gespaltenen Parteivorstand im Potsdamer Seminaris-Hotel nach Wochen des Waffenstillstands in die Offensive. Plötzlich und ohne jede Vorwarnung. Es sollte eigentlich nur eine Routinesitzung sein, eine symbolische dazu: die letzte in der achtjährigen Amtszeit Jörg Schönbohms, der anschließend mit allen an der Hotelbar ein Bier trinken will. Einige Unterstützer von Junghanns wie die Kulturministerin Johanna Wanka können jedoch nicht teilnehmen. Dafür sind überraschend Petkes Ehefrau Katherina Reiche, Vize-Fraktionschefin der CDU im Bundestag, und ihr Kollege, der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen doch noch erschienen, nachdem sie zunächst abgesagt hatten.
Die Runde ist schon beim Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ angelangt, als Koeppen überraschend beantragt, der Landesvorstand möge doch ein „Votum“ für einen der beiden Kandidaten abgeben. Die Basis erwarte dies. Katherina Reiche springt ihm sogleich bei: Ein solches Votum sei zulässig und demokratisch. Am nächsten Tag werden ihr viele vorhalten, dass sie eine Abstimmung unterstützt habe, deren Ausgang zugunsten ihres Mannes von vornherein feststand: „Familienpolitik stelle ich mir anders vor“, kommentiert Wanka ironisch. Schönbohm, Fraktionschef Thomas Lunacek und der frühere JU-Chef Sebastian Schütze versuchen noch, die Abstimmung zu verhindern: Man solle die Entscheidung den Delegierten des Parteitages überlassen. Auch sei der Vorstand nicht vollzählig. Vergeblich. Es wird abgestimmt: Sieben Stimmen für Junghanns, zwölf für Petke.
„Der krönende Abschluss meiner Arbeit nach acht Jahren“, bemerkt Schönbohm am Tag danach bitter. „Ich hatte gehofft, in den letzten 14 Tagen Brücken bauen zu können – jetzt haben einige die Gräben noch vertieft.“
Schönbohm hatte Junghanns früh als Nachfolger vorgeschlagen, weil dieser integrieren könne. Seinen früheren Generalsekretär Petke hingegen hält er für machthungrig und illoyal. An diesem Abend sieht sich der Vorsitzende der Brandenburger CDU einmal mehr bestätigt.
Dabei schien sich Petke in den letzten Wochen gewandelt zu haben. Wo er auch auftrat, er präsentierte sich als freundlicher Menschenfänger, der alle umarmte: Alte und Junge, Freund und Feind. Mal streichelte er die Ost-Seele mit Forderungen wie die, die Union müsse stärker ostdeutsche Lebensleistungen anerkennen. Mal nahm er den Unmut der Randregionen auf, die sich vernachlässigt fühlen: „Wir müssen das ernst nehmen.“ Der einstige innenpolitische Hardliner, der früher Fußfesseln für Schulschwänzer forderte, ist politisch geschmeidig geworden. Der „neue“ Petke wirbt für eine sozialere, familienfreundlichere CDU – sein Steckenpferd. Damit schien er an der Basis durchaus einen Nerv zu treffen, die die Union endlich wieder siegen sehen will.
War das wirklich noch der Mann, der sich in Potsdam einen Ruf als ehrgeiziger Ränkeschmied, als Polarisierer erworben hat, der sich mit seinem Zynismus, mit verletzenden Äußerungen viele Feinde gemacht hat? „Ich bin älter geworden, ich habe gelernt!“, versicherte er immer wieder. Hat er das? Seine Kritiker sprachen von einer „perfekten durchgestylten Inszenierung“. Ihm und seinen Leuten gehe es „nur um eins, die eigene Macht“.
Heiligt da der Zweck die Mittel? Es fällt auf, dass im freien Internet-Lexikon Wikipedia, das jeder Nutzer selbst verändern kann, Ulrich Junghanns als lupenreiner Funktionär der früheren SED-hörigen DDR-Bauernpartei diskreditiert wird: Er habe noch im Juli 1989 die Mauer verteidigt, kann man lesen. Vor einigen Wochen stand das da noch nicht. Auch über den von ihm vorgeschlagenen Generalsekretär Dierk Homeyer liest man Negatives. Versuche der beiden, das eine oder andere klarzustellen, scheiterten bisher. Ihre Gegner sind schneller. Petke, darauf angesprochen, bestreitet, damit etwas zu tun zu haben. Aber, das ist sein eigentliches Problem, man traut ihm und seinen Leuten alles zu. Erst recht nach dem Vorstands-Coup.
„Ich bin fassungslos, mit welchen Methoden gekämpft wird“, kommentierte gestern Fraktionschef Lunacek. „So viele anonyme Anzeigen wie jetzt hatten wir in 15 Jahren nicht.“ Da liegt ein Prüfbericht über die Parteifinanzen in der Zeit, als Petke Generalsekretär war, plötzlich im Briefkasten der Staatsanwaltschaft. Eine Christdemokratin spricht von „Spitzel-Atmosphäre“ und Drohanrufen. So wundert es nicht, dass aus der CDU-Zentrale wichtige Unterlagen verschwinden konnten: „So ist zum Beispiel ein Digitalkamera, ein externe Festplatte sowie ein Laptop entwendet worden“, stellt ein Bericht der Wirtschaftsprüfer Verhülsdonk & Partner fest, der in der Vorstandssitzung verteilt wurde. Auf der Festplatte sollen die E-Mail-Adressen von rund 3000 Parteimitgliedern gespeichert gewesen sein. Es scheint nichts mehr zu geben, was in dieser CDU zur Zeit nicht möglich wäre.
An der Basis herrscht ob der jüngsten Vorgänge helle Empörung: „Das ist doch nur noch ein Geklüngel von Funktionären und deren Interessen. Und bei diesem peinlichen Verhalten ist wohl jede Schamgrenze gefallen“, schreibt ein CDU-Mitglied im Internet-Basisforum. Petke scheint das nicht zu stören: Er wertete gestern das Votum des Landesvorstandes als „eindeutiges Vertrauensvotum“. Es könnte ein Pyrrhussieg für ihn sein.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: