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Brandenburg: „Energiepolitik ist immer auch Agrarpolitik“

Bauernbund-Chef Jennerjahn über den Widerstand gegen die Kohlepolitik und einen Kompromiss

Stand:

Herr Jennerjahn, der Bauernbund hat sich gegen die CCS-Technologie zur Abscheidung und unterirdischen Speicherung des Klimagases Kohlendioxid – CO2 – ausgesprochen. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die unterirdische Speicherung?

Der Knackpunkt ist, dass man bei der ohnehin umweltschädlichen Braunkohleverstromung noch rund ein Drittel mehr Brennstoff benötigt, um das Kohlendioxid abzuscheiden, wegzupumpen und unter die Erde zu pressen. Außerdem wissen wir nicht, wie es sich dort verhält – scheitern die geplanten Pilotprojekte in Beeskow und Neutrebbin, was sich auch erst in hundert Jahren herausstellen kann, sind große fruchtbare Landstriche nicht oder nur eingeschränkt nutzbar. Und selbst wenn man die ökonomisch wie ökologisch widersinnige Erhöhung des Brennstoffbedarfs außer Acht lässt, stellt sich die Frage, warum man diesen komplizierten Beitrag zur Rettung des Weltklimas ausgerechnet in einer der wenigen dicht besiedelten, landwirtschaftlich nutzbaren Gegenden der Welt ausprobieren muss.

Aus Sicht der Landesregierung ist CCS Voraussetzung, um weiter Kohle verstromen zu können. Ist Kohle nicht doch notwendig für eine stabile Energieversorgung?

Was heißt schon notwendig? Mecklenburg-Vorpommern hat keine Tagebaue, das einzige Atomkraftwerk ist abgeschaltet und trotzdem herrscht dort kein Energienotstand. Niemand bestreitet, dass die Braunkohle für Brandenburg Bedeutung hat. Wir sehen aber auch die Opfer: Bei Manfred Stolpe sollte Horno das letzte Dorf sein, jetzt will Matthias Platzeck mit Grabkow, Kerkwitz und Atterwasch noch mal Verlängerung geben. Mit den Dörfern verschwinden alte Kulturlandschaften, zurück bleiben riesige Krater und ein massiv geschädigter Wasserhaushalt. Jeder weiß, dass das nicht ewig so weiter gehen kann. Die Bewohner der Dörfer ebenso wie die Beschäftigten der Energiewirtschaft brauchen Klarheit. Wenn noch eine Generation bei der Braunkohle Arbeit hat, ohne dass weitere Dörfer geopfert werden müssen, wäre dies aus unserer Sicht ein fairer Ausgleich.

Widerstände gibt es auch gegen den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien, etwa bei der Windkraft. Welche Alternativen zur Braunkohlenutzung sehen Sie?

Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Erdwärme leisten schon heute erhebliche Beiträge zur Energieversorgung und verzeichnen hohe Wachstumsraten. Wie bei allen neuen Technologien gibt es Auswüchse, die Widerspruch herausfordern. Aus landwirtschaftlicher Sicht habe ich Bedenken gegen die Ausdehnung des Maisanbaus für die Biogasproduktion. Hier, genauso wie bei Wind und Sonne, ist die Politik gefordert, die Entwicklung in vernünftige Bahnen zu lenken.

Sie kritisieren die Energiepolitik. Immerhin hat sich das Land mit seiner Energiestrategie 2020 Klimaziele gesetzt. Was macht die Landesregierung aus Ihrer Sicht falsch?

Das Hauptproblem ist die einseitige Fixierung auf Braunkohle, die in eine energiepolitische Sackgasse führt bis hin zu so absurden Vorhaben wie CCS. Wer durch Enteignungen und Zerstörungen die Fortsetzung der Braunkohleverstromung ermöglicht, behindert damit natürlich die Entwicklung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energiesparen. Man kann nicht beides gleichzeitig haben. Staatlich begünstigter Strom aus Braunkohle verschlechtert die Konkurrenzfähigkeit für alle Alternativen. Letzten Endes geht es aber auch um das Dogma, dass Brandenburg auf Teufel komm raus Energie exportieren soll. Warum eigentlich, wenn andere das viel besser können? Heute haben wir wenigstens noch fruchtbaren Boden. Wenn wir so weitermachen mit Tagebauen und CCS, haben wir irgendwann gar nichts mehr.

Welchen Beitrag kann die Landwirtschaft für eine bessere Energiepolitik leisten?

Zuallererst kann die Landwirtschaft die Ernährung der Menschen in Brandenburg und Berlin sicherstellen. Ein satter Mensch friert nicht so schnell (lacht). Außerdem können wir mit Biomasse Energie erzeugen. Das wird, angesichts der begrenzten Fläche, sicher nicht der größte Beitrag sein. Aber darüber, dass sich unsere Rohstoffe energetisch verwerten lassen, nehmen wir an diesem Markt teil. Über unseren Zugriff auf den Boden profitieren wir zudem von Wind- und Solarparks. Energiepolitik ist damit immer auch ein Stück weit Agrarpolitik, und deshalb wollen wir die Wende hin zu den erneuerbaren Energien.

Die Fragen stellte Matthias Matern

Karsten Jennerjahn (47) ist seit zehn Jahren Präsident des

Bauernbundes Brandenburg. In Schrepkow (Prignitz) führt der Diplom-Agraringenieur einen Masthof und Ackerbaubetrieb.

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