Brandenburg: „Enorm beschädigt“
Jürgen Kurths verzichtet nach Unstimmigkeiten mit Ministerin Wanka auf Chefposten der Uni Cottbus
Stand:
Cottbus/Potsdam - Der Potsdamer Physiker Prof. Jürgen Kurths wird das Amt als Präsident der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) nicht antreten. Der an der Universität Potsdam tätige Professor zieht damit Konsequenzen aus vorangegangenen Unstimmigkeiten mit dem brandenburgischen Wissenschaftsministerium. Wie er den PNN gestern sagte, habe er „eine Entscheidung für Potsdam und gegen den Stil von Wissenschaftsministerin Wanka getroffen“.
Die Ministerin Johanna Wanka (CDU) hatte Kurths in der vergangenen Woche in einem RBB-Interview vorgeworfen, dass er drei Termine zur Ernennung zum Präsidenten der BTU habe verstreichen lassen. Seine Ernennung sei an Gehaltsforderungen gescheitert, worüber die Ministerin ihr Unverständnis äußerte.
Wie Kurths, der Anfang Juni mit großer Mehrheit als Nachfolger von Prof. Ernst Sigmund an die Spitze der Cottbusser Universität gewählt worden war, nun sagte, sei sein Hauptkritikpunkt die unzureichende finanzielle Ausstattung der BTU in den kommenden beiden Jahren gewesen. „Das hat die Ministerin gegenüber der Presse offenbar völlig unerwähnt gelassen“, so Kurths. Es sei unhaltbar, dass Ministerin Wanka während laufenden internen Verhandlungen an die Öffentlichkeit trete. „Und dies auch noch mit falschen Details“. Kurths weiter: „Das ist kein Stil, das macht man einfach nicht.“
Der Physiker sieht durch die Indiskretion Wankas seine Person „enorm beschädigt“. Zumal die „Bild“-Zeitung ihm nach dem Wanka-Interview Habgier unterstellt hatte („Raffke-Professor“). Um sich und seine Familie vor weiteren Diffamierungen zu schützen, sei er nun erst einmal abgetaucht. Zuvor wand sich der Professor in einer Erklärung an die Öffentlichkeit. Darin stellt er klar, dass er niemals eine bestimmte Besoldungshöhe gefordert habe. Er habe lediglich darauf hingewiesen, dass die angebotene Höhe nicht ausreichend ist. Darauf hin hatte der Senat der BTU einen Besoldungszuschlag beschlossen, den das Ministerium ohne weiteren Vorschlag abgelehnt habe.
Mit der vom Ministerium angebotenen Besoldung würde sich seine wirtschaftliche Situation etwas verschlechtern, so Kurths. „Bei gleichzeitig essenziellem Zuwachs an Verantwortung ist das für mich nicht nachvollziehbar.“ Zudem kritisierte er, dass Wanka seit seiner Wahl am 7. Juni keinen direkten Kontakt zu ihm gesucht habe. Er selbst habe gegenüber dem Ministerium erklärt, dass er sich bis Anfang dieser Woche entscheiden werde, worauf hin Wanka ihm ein Ultimatum gestellt habe. Die Termine zur Ernennung zum Rektor habe er nicht ohne Reaktion verstreichen lassen, sondern vielmehr die Ministerin über eine Terminüberschneidung umgehend informiert. „Ohne Antwort“, so Kurths.
Verhandlungsbedarf sah der Physiker in erster Linie bei der Finanzierung der Hochschule. Kurths habe im Einklang mit dem Senat der BTU gegenüber dem Ministerium klar gemacht, dass die vorgesehenen „drastischen Einsparungen“ zu substanziellen Schwierigkeiten insbesondere bei der Neubesetzung von frei werdenden Stellen für Nachwuchswissenschaftler führen würden. Es sei dabei um die Größenordnung von 100 Stellen gegangen. „So sind die Reformen, die für die BTU angestrebt werden, nicht machbar“, sagte Kurths. Junge Wissenschaftler seien für Innovationen besonders wichtig. Vor dem Hintergrund der Einsparungen sei die BTU ab 2007 selbst mit kleinen anderen Technischen Universitäten nicht mehr wettbewerbsfähig. In diesem Punkt habe es seitens des Ministeriums allerdings keine Bewegung gegeben. „Für eine TU light stehe ich nicht zur Verfügung“, sagte Kurths.
Ministerin Wanka sagte gestern in einer ersten Reaktion, dass sie die Gründe von Kurths, das Amt als Präsident der BTU-Cottbus auszuschlagen, nicht nachvollziehen kann. Sowohl die Situation der Hochschule, als auch die gesetzlich vorgesehene Vergütung für den Rektor sei bereits vor der Wahl bekannt gewesen. Die Hochschule habe nun fünf Wochen verloren. „Ich hätte mich gefreut – wie bisher üblich – nach seiner Bestellung in ein konstruktives Gespräch mit dem neuen Präsidenten einzutreten“, unterstrich Wanka. Zusammen mit dem Landeshochschulrat werde die BTU nun das weitere Vorgehen besprechen.
Ein Ministeriumssprecher wies auch den Vorwurf des schlechten Stils von Wanka zurück. Das Ministerium habe sich zu den Bezügen nicht konkret geäußert. Nachdem Kurths Termine zur Ernennung habe verstreichen lassen, habe die Presse auf eine Stellungnahme gedrängt. Der Abbau von 100 Nachwuchswissenschaftlern sei zudem ein „Worst-Case-Szenario“, von dem das Ministerium nicht ausgehe.
Jürgen Kurths bedauerte indes sehr, dass er die „reizvolle Aufgabe“ an der BTU nicht antreten werde. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Er habe sich zusammen mit dem Senat der Hochschule intensiv auf die neue Aufgabe vorbereitet und wollte „mit großem Optimismus“ das Amt antreten. „Aber so kann man mit mir nicht umgehen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: