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Empfehlung: Enquete für neue Stasi-Überprüfungen

UPDATE. Brandenburgs Landtagskommission zur SED-Diktatur beschließt am heutigen Freitag Empfehlungen für künftige Praxis.

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Potsdam - In Brandenburg sollte es nach der Wahl im Herbst eine Stasi-Überprüfung der Landtagsabgeordneten, aber auch von Chefs von Landesbehörden, Abteilungsleitern in Ministerien und von Vorsitzenden Richtern geben. Das wird nach PNN-Recherchen die Enquete-Kommission des Landtages zumUmgang mit der SED-Diktatur heute als Empfehlungen beschließen, und zwar wohl mit parteiübergreifender Einigkeit. Grundlage ist ein Entwurf für Handlungsempfehlungen zur Personalpolitik, den der Linke-Landtagsabgeordnete Peer Jürgens und der Stasi-Experte Prof. Helmut Müller-Enbergs vorgelegt haben. Das Papier aus der Feder von Jürgens, ergänzt von Enbergs, gilt als konsensfähig. Strittig ist noch, ob alle Richter im Land überprüft werden sollen, was Enbergs empfiehlt.

Es geht bei den Stasi-Überprüfungen um das Feld der Enquete-Kommission, das am umstrittensten ist. Nach dem Start der rot-roten Koalition 2009 hatten Stasi-Fälle in der Linken-Landtagsfraktion das Regierungsbündnis schwer erschüttert und eine Debatte um Versäumnisse im Umgang in der SED-Diktatur im Brandenburg der Nachwendezeit ausgelöst. Danach war hier erstmals eine Diktaturbeauftragte, die frühere Oppositionelle Ulrike Poppe, berufen worden. In allen anderen Ost-Ländern hatte es Stasi-Beauftragte gegeben. Und es war die Enquete-Kommission eingesetzt worden, deren Arbeit sich nun dem Ende nähert. Im Jürgens-Enbergs-Papier heißt es dazu: Es habe in „Brandenburg bei der Stasi-Überprüfung von Parlament und Regierung in einzelnen Bereichen Versäumnisse gegeben.“ Da, „wo sie erkennbar sind, sollten sie aufgedeckt werden“. Die Lücken seien deshalb möglich geworden, „weil es in der Landesverwaltung kein einheitliches Überprüfungsverfahren gegeben hat“. Und deshalb wird empfohlen, dies auch jetzt noch zu korrigieren, wo dies noch möglich und sinnvoll ist. Eine erneute flächendeckende Überprüfung des öffentlichen Dienstes wäre nach dem Papier ein Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution „nicht verhältnismäßig“. Doch empfohlen wird eine „letztmalige Überprüfung in ausgewählten Bereichen des öffentlichen Dienstes“. Genannt werden Abteilungsleiter in Ministerien, Chefs von Landesbehörden und Landesbetrieben, falls die noch nicht überprüft wurden. Und: „Die Überprüfung betrifft auch Vorsitzende Richter von Landes- und Oberlandesgerichten, Richter im Bereich der Rehabilitation von politisch Verfolgten und Benachteiligten sowie die Oberstaatsanwälte.“ Das empfiehlt auch Jürgens, Enbergs geht weiter, drängt auf eine „einmalige Überprüfung“ aller Brandenburger Richter, die 1990 bereits 18 Jahre alt waren. Außerdem plädiert der Stasi-Experte, der in der Berliner Jahn-Behörde angestellt ist, dafür, dass auch Rechtsanwälte und deren Kammern „Initiativen für Selbstauskünfte“ vornehmen.

Als ersten Punkt empfiehlt der Beschluss-Entwurf von Jürgens und Enbergs, die oft auf Stasi-Mitarbeit verkürzte Debatte „über die politische Verantwortung in der SED-Diktatur auszuweiten“. Und zwar so: „Stärker als bisher sollte das Gefüge von SED, Blockparteien und vormilitärischen Organisationen in den Blick genommen werden.“ Denn eine solche Differenzierung könne dazu beitragen, „mehr Offenheit für das kritische Hinterfragen der eigenen Biografie“ entstehen zu lassen. „Die Aufarbeitung sollte dabei auch dem Anliegen dienen, das Funktionieren einer Diktatur und die Machtinstrumente zu erklären, um gegen Machtmissbrauch und Willkür gewappnet zu sein“, heißt es weiter. „Die Skandalisierung einzelner Fälle trägt diesem Wunsch nach Aufklärung nur begrenzt Rechnung.“ Den Parteien im Land Brandenburg wird empfohlen, sich um die kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte zu bemühen. Jürgens, auch Linke-Kreischef in Oder-Spree, war auf dem Landesparteitag letztes Wochenende mit einem schlechten Listenplatz für die Landtagswahl abgestraft worden.

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