Brandenburg: Entlassen – und gleich wieder in Haft
Sexualtäter bleibt bis zum Dienstag in Polizeigewahrsam / Richter bestätigt die hohe Gefährlichkeit des Mannes / Polizeigewerkschaft: Justizskandal
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Potsdam/Brandenburg/Havel – Der Sexualstraftäter Uwe K. bleibt in Polizeigewahrsam – bis zum morgigen Dienstag, 15.45 Uhr. Das Amtsgericht der Stadt Brandenburg an der Havel hat diesen juristisch nicht unumstrittenen Schritt der Polizei wegen der besonderen Gefährlichkeit des 42-Jährigen am Samstag bestätigt. Er war ohne Wissen des Justizministeriums, des Generalstaatsanwalts und der Polizei vorzeitig aus der Justizvollzugsanstalt Brandenburg entlassen worden – vor mehr als einer Woche. Deshalb gerät jetzt Justizministerin Beate Blechinger (CDU) unter Druck, die sich erst am Sonntag aus ihrem Urlaub zu Wort meldete (Seite 1).
Die Polizei, die am Freitag von der Freilassung erfuhr, hatte den extrem Rückfallgefährdeten daraufhin in Gewahrsam genommen – was das zuständige Amtsgericht bestätigte. Das lasse Brandenburgs Polizeigesetz zur Gefahrenabwehr bis zu vier Tage zu, erklärte Schutzbereichsleiter Sven Bogacz gegenüber den PNN. „Eine Ermessensentscheidung.“ Man habe so Zeit für die „Gefährdungsanalyse“ gewonnen, auf deren Grundlage man polizeiliche Maßnahmen entwickeln könne. Einzelheiten nannte Bogacz nicht. Bei einem vergleichbaren Fall in Sachsen-Anhalt wird ein entlassener Frauenmörder rund um die Uhr von Beamten observiert.
Dass die Entlassung von Uwe K. überhaupt am Freitag bekannt wurde, hängt offenbar mit Recherchen der PNN zusammen. Im Zuge mehrerer PNN-Anfragen war im Justizapparat nachgeforscht worden, wann K. frei kommen soll. Dabei, so hieß es am Sonntag, habe man festgestellt, dass K. längst auf freiem Fuß ist.
Uwe K. hat in Brandenburg eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt, weil er 1992 bis 1995 in Falkensee neun Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren gequält, missbraucht und vergewaltigt hatte. Und er würde es wieder tun, darin sind sich Gutachter einig. Uwe K. hat sich in der Haft einer Therapie verweigert. In einem Gutachten heißt es nach PNN-Informationen über ihn, dass seine „Gefährlichkeit unvermindert fortbesteht“. Und: Bei Entlassung aus der Haft sei anzunehmen, dass er „mit großer Wahrscheinlichkeit erneut einschlägige Delikte begehen wird.“ Ein anderes Gutachten bescheinigt Uwe K., „sich mit seinen Taten nie auseinandergesetzt“ zu haben. Die Prognosen sind eindeutig: Uwe K. werde „mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft seine ausgeprägten sexuellen Bedürfnisse ohne Rücksicht auf andere realisieren“.
Deshalb hatte das Landgericht Potsdam eine so genannte lebenslängliche „nachträgliche Sicherungsverwahrung“ nach der regulären Haft angeordnet, die jedoch vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurde. Grund ist eine formale Gesetzeslücke, die trotz Interventionen – zuletzt Anfang Januar 2007 von Ministerpräsident Matthias Platzeck bei Bundesjustizministerin Brigitte Zypries – bislang nicht geschlossen wurde. Eine Korrektur wird seit langem gefordert, ein Gesetzentwurf verschiedener vorwiegend CDU-regierter Bundesländer liegt seit Mai 2006 auf Eis. „Das Hauptproblem sind die Versäumnisse des Bundes und der Bundesjustizministerin“, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) den PNN. Das Bundesjustizministerium versuchte, den Ball nach Brandenburg zurückzuspielen: Die Generalstaatsanwaltschaft hätte einen Antrag auf Sicherungsverwahrung stellen können, so ein Sprecher. Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg reagierte irritiert. „Die Rechtslage ist eine andere.“
Unterdessen lassen Brandenburger Versäumnisse im Fall Uwe K. die Wogen hochschlagen. Es sei skandalös, dass dieser Mann ohne Kenntnis von Justizministerium und Polizei einfach entlassen wurde, kritisiert Andreas Schuster, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, der von einem „Justizskandal“ spricht. PDS-Rechtsexperte Stefan Sarrach warf Ministerin Blechinger „Blauäugigkeit und Überforderung“ vor. „Man muss den Eindruck gewinnen, dass in der Justiz jeder machen kann, was er will.“
Das Justizministerium ging noch am Freitag davon aus, dass Uwe K. erst am 13. Februar entlassen wird. In der nächsten Woche wollten die Staatssekretäre für Justiz, Inneres und Gesundheit die Strategie für den Umgang mit dem Entlassenen entwickeln. Niemand wusste, dass der Sexualstraftäter bereits seit dem 25.Januar draußen war – unter Auflagen. Er darf keine Spielplätze, Kindereinrichtungen oder Schulhöfe betreten und soll sich einer Therapie unterziehen. Der Grund für die vorzeitige Entlassung: Uwe K. hatte in der Anstalt regelmäßig gearbeitet und sich ein „Zeitkonto“ erworben, was am Ende von der Haft abgezogen werden kann.
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