Brandenburg: „Er schlug Jonny sofort ins Gesicht“ Der Freund von Jonny K. schilderte
das dramatische Geschehen am Alexanderplatz
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Berlin - Der Zeuge atmet tief durch. Auch Gerhardt C., genannt Kaze, wurde geschlagen in jener Nacht. Doch Jonny K., sein Freund, der ihm damals helfen wollte, wurde bei dem Angriff auf dem Berliner Alexanderplatz wie aus dem Nichts tödlich verletzt.
Gerhardt C. blickt kurz zu dem jungen Mann, der nun keine fünf Meter entfernt als einer von sechs Angeklagten sitzt. Onur U. bleibt äußerlich regungslos. Auch als der Zeuge den Arm ausstreckt und auf ihn zeigt. „Das ist der, der alles angefangen hat“, sagt Gerhardt C. „Der erste Schlag ging gegen Jonny, gegen sein Gesicht.“ Doch wie sicher sind seine Erinnerungen? Lange wird der Zeuge befragt.
Gerhardt C. ist 29 Jahre alt, seit vielen Jahren auch der Freund der Schwester von Jonny K. Und Gerhardt C. ist arbeitslos seit dem Vorfall im vergangenen Oktober. Er erlitt mehrere Knochenbrüche, zwei davon im Gesicht. Den linken Arm konnte er lange nicht benutzen, das linke Auge war verletzt. Das alles nach einem Abend, der feuchtfröhlich war. Sie hatten in einem Klub einen Geburtstag gefeiert. Er und Jonny K. wollten um vier Uhr schließlich einen Freund nach Hause bringen. „Er hatte übertrieben“, erinnerte sich C. am Montag vor dem Landgericht. Sie hatten Hochprozentiges getrunken. Jonny K., so stellte man später fest, hatte fast zwei Promille Alkohol im Blut. Der Zufall hatte die Gruppe um Jonny K. und jene, mit der Onur U. unterwegs war, zusammengeführt. C. wollte den Betrunkenen auf einen Stuhl setzen. „Ich sehe ihn, wie er den Stuhl wegzieht, lacht“, beschreibt Gerhard C. nun und zeigt auf Onur U. Jonny K. sei gekommen. „Was soll das?“, habe sein Freund gerufen und U. an der Schulter angefasst. „Onur U. reißt sich los und schlägt Jonny sofort ins Gesicht“, sagt C. nun. „Dann sind sie alle auf ihn, haben ihn umzingelt.“
Die sechs Angeklagten haben ihre Beteiligung an der Schlägerei zugegeben. Ex-Boxer U. gestand, dass er Gerhardt C. mit etlichen Fausthieben traktiert hatte. „Es waren bestimmt zehn, zwölf Schläge.“ Aber mit Jonny K. habe er sich nicht befasst, er habe ihn nicht einmal bemerkt in der Prügelei. Ein Angeklagter gab einen Tritt gegen das Bein von Jonny K. zu und beteuerte, K. sei dadurch nicht umgefallen, ähnlich beschrieb ein weiterer der 19- bis 24-Jährigen seinen Anteil an der Tat. Keiner will Jonny K. zu Boden gebracht haben, keiner übernahm für den Tod des 20-Jährigen die Verantwortung.
Jonny K. war laut Anklage in der Nacht zum 14. Oktober mit wuchtigen Schlägen und Tritten so attackiert worden, dass er stürzte und auf die Straße aufprallte. Er starb einen Tag später an Hirnblutungen. Die Ärzte konnten ihm nicht mehr helfen. Vier Verletzungen wurden an seinem Kopf festgestellt: an der Schläfe, am Mund, am Scheitel und am Hinterkopf. Es sei aber nicht mehr feststellbar, welche Verletzung zu den Blutungen im Gehirn führte. „Jede der vier Verletzungen hätte Auslöser sein können“, sagte ein Rechtsmediziner am Montag.
War es der 19-jährige Onur U., der eine Gewaltorgie auslöste, wie sie der Zeuge beschrieb? „Auch andere Angeklagte sagen, er hatte nichts mit Jonny K. zu tun“, sagte der Richter. Gerhardt C. blieb dabei.
Die Staatsanwaltschaft wirft vier Angeklagten Körperverletzung mit Todesfolge vor, den anderen gefährliche Körperverletzung. Gerhardt C. hatte Onur U. auf Fotos, die ihm die Polizei im Oktober vorlegte, nicht identifiziert. Er erkenne den Täter vielleicht, wenn er ihm gegenüberstehe, sagte er damals. Nun wurde er eingehend kritisch befragt. Der Richter sagte nachdenklich, es scheine eine schreckliche Verkettung unglücklicher Umstände zu sein, die im Prozess zu klären seien.
Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
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