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Brandenburg: Ergebnis offen

Das europäische Pilotprojekt zur Versenkung von Kohlendioxid in Ketzin geht in seine nächste Phase

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Potsdam/Ketzin – Die Politik spricht von einer Schlüsseltechnologie. Und das mit einer Euphorie, als habe man den Stein der Weisen gefunden. Die Idee, das für den Klimawandel verantwortliche Gas Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Energiestoffe wie Öl und Kohle freigesetzt wird, schon im Kraftwerk abzuspalten und unter die Erde zu pumpen, stößt bei verantwortlichen Politikern auf viel Gegenliebe. Lässt das Verfahren doch eine weitere Nutzung von Braunkohle möglich erscheinen, ohne das dadurch der Klimawandel weiter angefacht werde. Mit Verweis auf die großen Braunkohlereserven des Landes Brandenburg begrüßte dann auch Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) gestern ausdrücklich das Pilotprojekt CO2SINK des Potsdamer GeoForschungsZentrums (GFZ). Junghanns sprach vollmundig von einer „glücklichen Zukunft mit fossilen Energien“. Und der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Joachim Wuermeling, verkündete: „Alle reden von sauberer Kohle, hier ist sie“.

Am Versuchsfeld in Ketzin war gestern die Einfüllanlage in Betrieb genommen worden. Aus diesem Anlass lud das bei dem europäischen Pilotprojekt federführende GeoForschungsZentrum Potsdam zu einer wissenschaftlichen Tagung und einem Festakt, zu dem auch EU-Energiekommissar Andris Piebalgs kam. In Ketzin wurde mittlerweile die erste, 803 Meter tiefe Probebohrung abgeschlossen. An zwei weiteren Bohrlöchern wird derzeit noch gearbeitet. Voraussichtlich im kommenden Herbst soll das erste CO2 in Ketzin unter die Erde geleitet werden. Die Forscher des GFZ wollen dann beobachten, wie sich das Gas in den porösen, von Salzwasser durchsetzten Sandscheinschichten verhält. Unter den Tiefenbedingungen herrscht eine Temperatur von 35 Grad und ein Druck von bis zu 80 Bar. Insgesamt sollen in Ketzin 60 000 Tonnen CO2 in die Erde gepumpt werden. Ziel des bis 2009 angelegten Projektes ist es herauszufinden, ob eine solche Lagerung langfristig ohne Risiken möglich ist, welche Kosten entstehen und ob das Gestein ausreichend Lagerkapazität bietet.

Die Euphorie der Politiker, die sich mit dem in der Probephase befindlichen Verfahren den ehrgeizigen Klimaschutzzielen der EU ein großes Stück näher gekommen wähnen, mussten die Forscher allerdings etwas abbremsen. Es handele sich um ein ergebnisoffenes Projekt, betonte der neue wissenschaftliche Vorstand des GFZ, Prof. Reinhard Hüttl. Sollte sich herausstellen, dass das Verfahren nicht sicher oder unwirtschaftlich sei, müsse man der Politik eine Absage erteilen. Einmal mehr betonte zudem der ehemalige GFZ-Chef Prof. Rolf Emmermann, dass es sich bei dem neuen Verfahren nur um eine Übergangslösung handele, bevor andere Energiequellen – etwa die ebenfalls von GFZ erforschte Geothermie – zur Verfügung stünden. Die CO2-Speicherung sei langfristig zu energieintensiv und zu teuer.

Die Politik sieht das allerdings etwas anders. Staatssekretär Wuermeling stützte seine Aussagen auf eine Studie, die davon ausgeht, dass noch im Jahre 2050 weltweit 70 Prozent der Energie aus fossilen Kraftstoffen gewonnen würden. Die CO2-Speicherung sei für die weltweite Energieversorgung eine zentrale Technik. Auch Wirtschaftsminister Junghanns machte klar, dass Brandenburg trotz eines ausgewogenen Energiemixes, der heute schon 30 Prozent erneuerbare Energien enthalte, weiter darauf angewiesen sei, seine Braunkohle ins Ausland zu exportieren. „Brandenburg ist ein Energieland, dazu brauchen wir die fossilen Energieträger, und daher brauchen wir die Technologie der CO2-Speicherung“, sagte Junghanns. Vor diesem Hintergrund sei es nur zu begrüßen, dass Brandenburg nun zum „Labor für Zukunftstechnologien“ werde.

Eine Haltung, die beim BUND Brandenburg auf keine Zustimmung stieß. „Das grenzenlose Vertrauen der Landesregierung in eine nicht vorhandene Technologie ist naiv und äußerste gefährlich“, sagte Burkhard Voß vom BUND. Das vorgesehene Verfahren sei wegen seiner schlechten Ernergiebilanz nicht zukunftsfähig. „Die Abkehr von der klimaschädlichen Braunkohlenverstromung ist ohne Alternative“, so Voß. Auch Brandenburgs Grüne halten die in die Technologie gesetzten Hoffnungen für „reines Wunschdenken“. Der Landesvorsitzende Axel Vogel forderte stattdessen ebenfalls eine Ausstiegsstrategie aus der Stromerzeugung mit Braunkohle. Hinzu kommt, dass die Folgen des Tagebaus nicht unumstritten sind. Greenpeace-Expertin Gabriela von Görne kritisierte etwa, dass der Braunkohletagebau langfristig die Umwelt zerstöre.

Dass die CO2-Speicherung noch viele Fragen offen lässt, zeigt allein schon der Größenvergleich. Während in den ehemaligen Erdgasspeichern aus DDR-Zeiten in Ketzin für das Forschungsprojekt rund 60 000 Tonnen Kohlendioxid eingelagert werden sollen, fallen allein in Deutschland jährlich nahezu 500 Millionen Tonnen des Treibhausgases durch Kohlekraftwerke an. Weltweit müssten also enorme Lagerkapazitäten geschaffen werden. Theoretisch möglich, sagen die Forscher. Doch wie sich das Gas in solchen großen Mengen unter der Erde verhalten wird, wissen auch sie bislang nicht. Und letztlich lassen sich Vorhaben dieser Dimension nicht an der Bevölkerung vorbei verwirklichen. „Die neuen Technologien müssen in der Öffentlichkeit akzeptiert werden“, gab Prof. Emmermann zu bedenken. Und marktreif sei die Technik ohnehin frühestens 2015 bis 2020 .

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