Brandenburg: Ermittler: Bagatellfälle nicht verfolgen
Berlin - Jede Anzeige bei der Berliner Polizei hat automatisch Ermittlungen zur Folge. Darauf kann jeder vertrauen.
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Berlin - Jede Anzeige bei der Berliner Polizei hat automatisch Ermittlungen zur Folge. Darauf kann jeder vertrauen. Noch. Denn ginge es nach Berlins Polizeivizepräsident Gerd Neubeck, dann würde es bei Bagatellfällen immer häufiger heißen: „Nicht zuständig.“ Einig ist er sich dabei mit der Vorsitzenden der Vereinigung Berliner Staatsanwälte Vera Junker. Beide plädierten auf einer Tagung der Gewerkschaft der Polizei zum Thema Kriminalitätsbekämpfung für ein radikales Umdenken. Der Grund: Polizei und Justiz sind überlastet, ersticken in einer Flut von Bagatellfällen. Das bremst die Verfolgung schwerer Straftaten.
Neubeck nannte ein Beispiel: Ein Arzt schickt einem Patienten eine Rechnung über 300 Euro. Auf Mahnungen reagiert der Mann nicht, dann zieht er weg. Der Arzt kann sein Geld nicht eintreiben, geht zur Polizei und zeigt den Säumigen Mann wegen Betrugs an. Nun setzt sich die Maschinerie in Gang, weil die Polizei nach bisheriger Rechtsgrundlage („Legalitätsprinzip“) zu Ermittlungen verpflichtet ist. Sie stöbert dem Säumigen auf – und das auch noch gratis für den Mediziner. Und wenn der am Ende seine 300 Euro habe, sei auch sein Interesse an der Betrugsanzeige futsch, sagt Vize-Polizeichef Neubeck. Zudem ist dem „Täter“ eine Betrugsabsicht kaum nachzuweisen. Die Folge: Das Verfahren wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingestellt. Neubeck sprach sich daher für einen sich für einen radikalen Wandel in der deutschen Rechtsauffassung aus – hin zum „Opportunitätsprinzip“, also dass die Polizei von Bagatellen befreit wird. Auch Staatsanwältin Vera Junker beklagte die Mentalität, „fehlende Beweise von der Polizei organisieren zu lassen“. Angesichts der Belastung durch Bagatelldelikte „müssen wir über grundsätzliche Änderungen nachdenken“, sagte die Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte. Jörn Hasselmann
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