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Brandenburg: Ermittler entsetzt über Holzschuhers Pläne

Personalreserven werden zusammengekratzt: Innenminister will Kriminalbeamte in den Streifendienst schicken

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Potsdam - Bei den Staatsanwaltschaften und der Kriminalpolizei haben die Pläne von Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) blankes Entsetzen ausgelöst, durch die Polizeireform gerissene Lücken im Wach- und Wechseldienst künftig mit Kripo-Beamten zu schließen. „Wie dann künftig Kriminalitätsbekämpfung stattfinden soll, ist uns völlig unklar“, sagte ein leitender Beamter. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) lehnte das Vorhaben ab. „Ein weiterer Abbau bei der Kriminalpolizei bedeutet mehr Arbeit für die übrigen Kollegen“, sagte BDK-Landesgeschäftsführer Andreas Sommer.

Nach von mehreren Seiten bestätigten PNN-Informationen sollen ab 2014 Kriminalbeamte zur Schutzpolizei abgeordnet werden, wo Personal für Streifenwagen fehlt, wie Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) einräumte. Im Wach- und Wechseldienst hat die Polizeiführung mit massiven Problemen zu kämpfen und festgestellt, dass das Konzept der Polizeireform nicht aufgeht. Die ursprüngliche Idee, bei den Führungskräften Personal deutlich zu sparen, die Zahl der normalen Polizisten nur leicht anzupassen und damit weiterhin die angestrebte Zahl von 150 bis 160 Streifenwagen abzudecken, funktioniert nicht, heißt es aus dem Polizeipräsidium. „Jetzt werden die Personalreserven zusammengekratzt“, sagte ein hoher Polizeibeamter den PNN. Deshalb sollen nun Ermittler der Kripo aushelfen. Intern ist von 200 Beamten die Rede, die künftig in Uniform Dienst tun sollen.

Das Innenministerium wollte die Pläne nicht bestätigen. Klar sei, dass etwas getan werden müsse, um die operative Basis der Polizei zu stärken, sagte ein Ministeriumssprecher. „Es gibt verschiedene Überlegungen. Wir sehen Handlungsbedarf und sind an der Arbeit. Aber bis dahin will ich Spekulationen nicht kommentieren.“ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Innenminister Ralf Holzschuher hatten bereits Korrekturen. Der geplante Personalabbau von 8900 Stellen im Jahr 2009 und aktuell 8400 auf 7000 Polizisten sei nicht realistisch. „Die Stärke muss deutlich höher sein“, sagte Woidke.

Kritik kommt nun von Staatsanwaltschaften. Um die Kriminalität zu bekämpfen, brauche man keine Streifen, sondern eine ausreichend ausgestattete Kriminalpolizei, heißt es unisono in den Anklagebehörden. Die sind schon jetzt mit den neuen Polizeistrukturen und der Polizeiarbeit höchst unzufrieden. Die Qualität der Ermittlungsarbeit bei der Polizei sei stark gesunken, Umsetzungen von Kriminalbeamten hätten im Zuge der Polizeireform in einigen Bereich zu regelrechten Einbrüchen geführt, heißt es bei den Staatsanwaltschaften. Davon betroffen sind nach PNN-Recherchen selbst sensible Bereiche wie der Staatsschutz. Insgesamt sind allein im Bereich der Staatsanwaltschaft Potsdam in diesem Jahr von der Polizei mehr Verfahren gegen unbekannte als Verfahren gegen bekannte Tatverdächtige aufgelaufen. Intern wird das dem Personalmangel bei der Kriminalpolizei und den erst durch die Polizeireform entstandenen Strukturen zugeschrieben.

Selbst Ermittler räumen Probleme ein: Die „Qualität der Anzeigenaufnahme, des ersten Angriffs und die nachrangige Beweisführung im Ermittlungsverfahren“ sinke, weil „ausreichend qualifiziertes Fachpersonal“ in der Kriminaltechnik und in den Ermittlerteams fehlt, wie es in einem interen Papier der Gewerkschaft der Polizei (GdP) heißt. Nach den ursprünglichen Reformplänen sollte die Zahl der Kriminalbeamten bis Ende 2019 um ein Fünftel reduziert werden. Statt der 2000 Stellen im Jahr 2010 sollen dann 1600 übrig bleiben. Der Abbau hat aber bereits jetzt drastische Folgen. „Abgänge und Krankenstand sowie andere Abwesenheitsgründe bewirken bereits jetzt Personalzahlen, wie sie für 2019 angestrebt werden“, beklagen Kriminalbeamte bei der GdP. „Der Stellenabbau in der Kriminalpolizei schreitet örtlich zu schnell voran und bringt Teilbereiche der Kriminalpolizei schon jetzt an Überlastungsgrenzen“, heißt es in dem Papier. Zugewiesene Aufgaben könnten nicht mehr erfüllt werden. Die Prognosen, dass die Kriminalität zurückgehe, haben sich als falsch erwiesen.

nbsp;Alexander Fröhlich

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