Von Alexander Fröhlich: Erneut Razzia bei führendem Neonazi
Nach Vereinsverbot werden unter dem Dach des NPD-Nachwuchses weiter Kinder und Jugendliche gedrillt
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Hohen Neuendorf - Trotz eines Verbots der rechtsextremistischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) machen führende Kader der NPD-Jugendorganisation JN offenbar unter neuem Deckmantel weiter – und trichtern Kindern und Jugendlichen auf Lagertreffen die Ideologie der Nationalsozialisten ein. Nach einer bundesweiten Razzia bei JN-Mitgliedern im Dezember 2010 haben die Sicherheitsbehörden in Brandenburg nun erneut in Hohen Neuendorf (Oberhavel) die Wohnung von Sebastian Richter, der im JN-Bundesvorstand sitzt, durchsucht, ebenso seine Arbeitsstelle in Berlin.
Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt seit Längerem gegen Richter. Er steht im Verdacht, gegen das Vereinigungsverbot verstoßen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen verbreitet zu haben, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft den PNN. Es geht um die HDJ, die 2009 vom Bundesinnenministerium verboten worden war. Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg beschlagnahmten deshalb am 22. März bei Richter einen Computer, Tonträger, diverse Unterlagen und Chroniken der HDJ. Die Auswertung läuft noch, hieß es.
Bereits im Dezember hatte es in vier Bundesländern Durchsuchungen bei Mitgliedern der JN gegeben, darunter auch bei Richter, der nach Angaben aus Ermittlerkreisen eine zentralen Figur in dem Netzwerk ist. Nach Ansicht der Behörden machen führende Kader der im März 2009 wegen „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, insbesondere mit der früheren Hitlerjugend“ verbotenen HDJ unter dem Deckmantel der JN in der Organisation „Interessengemeinschaft Fahrt und Lager“ weiter wie bisher. Diese soll wie die HDJ bereits an mehreren Orten in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern paramilitärisch organisierte Freizeitlager abgehalten haben und sich ähnlicher Symbole bedienen. Nach Angaben des Landeskriminalamtes Niedersachsen sollen den Kindern und Jugendlichen rechtsextremistische und volksverhetzende Inhalte vermittelt worden sein. Der Verfassungsschutz betrachtet die Interessengemeinschaft als rechtsextreme Freizeitagentur der JN mit rassistischem Bildungskonzept. In einem Jahreskalender werden völkische Ideologie und Leitsätze der SS gepriesen.
Die Ermittler haben das rechtsextremistische Netzwerk seit Monaten im Visier. Bei Richter suchten die Ermittler der Staatsschutz-Abteilung des LKA nun nach Beweisen, dass Richter die HDJ organisatorisch weiterführt. Richter soll demnach Chef der JN-Untergruppe „Fahrt und Lager“ sein. Schon die HDJ war aus Sicht von Experten ein „lupenreiner Neonazi-Verein“, bei dem Jugendliche in Zeltlagern mit Lagerfeuerromantik und Geländespielen einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, sogar Geschirrhandtücher waren mit Hakenkreuzen versehen. Der Nachwuchs trug Uniform, wurde in Rassenkunde unterrichtet und paramilitärisch gedrillt.
Bislang konnten die Sicherheitsbehörden die Treffen der verschworenen Truppe nicht vollends verhindern. Mit der Razzia im Dezember sollten die Pläne für eine Lagertreffen zum Jahreswechsel durchkreuzt werden. Tatsächlich wurden Neonazis samt Nachwuchs an mehreren Ort abgewiesen, mussten mehrfach ausweichen und fanden dann aber doch noch eine Unterkunft. In einem Bericht auf der Internetseite der JN geben sie sich kämpferisch und unbelehrbar: Sie hätten dem System im Kleinen getrotzt und Zeit gehabt, „unser Beisammensein so zu gestalten, wie wir es für richtig halten: Artgerecht!“
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