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Es geht weiter. Die Grabungen in Jamlitz wurden wieder aufgenommen.

© dpa

Von Alexander Fröhlich: Erneute Suche nach Massengrab in Jamlitz

Experten vermuten größtes Massengrab jüdischer KZ-Opfer außerhalb von Vernichtungslagern

Stand:

Jamlitz - In Jamlitz (Dahme-Spreewald) wird seit gestern erneut nach dem Massengrab jüdischer KZ-Häftlinge gesucht. Auf der 5000 Quadratmeter großen Fläche werden in den nächsten drei Wochen Experten des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseums (BLDAM) die Grabungen vornehmen. Damit setzt das brandenburgische Innenministerium die seit Jahren andauernde Suche in der Region fort. Denn in Jamlitz wird deutschlandweit das größte Massengrab jüdischer Opfer außerhalb einstiger Vernichtungslager vermutet. Anfang Februar 1945 hatte die SS bei der Räumung im Außenlager Lieberose des KZ Sachsenhausen 753 jüdische Frauen und Männer aus Ungarn und Polen erschossen. Einen Tag später waren 589 nicht gehfähige Häftlinge ermordet worden. Ihre Gebeine wurden aber 1958 und 1971 bei Bauarbeiten in einer Kiesgrube bei Staakow gefunden, im Juni 2009 entstand dort ein jüdischer Friedhof.

Nach den noch nicht entdeckten Überresten der jüdischen KZ-Häftlinge war bereits vor einem Jahr auf einem Nachbargrundstück gegraben worden. Zwar stießen die Experten nicht wie erwartet auf das Massengrab, aber auf eindeutige Hinweise wie Kochgeschirr, Trinkgläser und Porzellanfragmente sowie Reste von vier Baracken, die sich auch auf die neue Verdachtsfläche erstrecken. In einer der Baracken sollen die Häftlinge damals erschossen worden sein. Nun konzentrieren sich alle Hoffnungen auf dieses Areal, auf dem in den vergangenen Wochen als Vorarbeit bereits Bäume gerodet wurden.

In diesem Fall liefen die Gespräche mit den nun betroffenen Eigentümern der Grundstücke offenbar ruhig, sie haben ihre Zustimmung erteilt. Um das Nachbarfeld, auf dem vergangenes Jahr gesucht worden war, hatte es einen erbitterten Rechtsstreit gegeben. Der Eigentümer leistete lange Zeit heftigen Widerstand gegen die Grabungen und verhinderte vor Gerichten zehn Jahre lang, dass dort Experten wie Archäologen, Gerichtsmedizinern, Kriminalisten und Staatsanwälten auf seinem Land anrücken konnten. Erst mit einem Ende 2008 vor dem Oberlandesgericht Brandenburg erzielten Vergleich ging das Grundstück ins Eigentum des örtlichen Amtes Lieberose/Oberspreewald über. Über die Einzelheiten zum Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Daher verhandelte das Innenministerium auch in diesem Fall erneut unter höchster Verschwiegenheit mit den Eigentümern, um die weitere Suche nicht zu gefährden. „Es ist unsere Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen, hier Gewissheit zu schaffen“, erklärte Speer. Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sind eng in die Suchaktionen eingebunden. Stiftungs-Direktor Günter Morsch hatte 2006 in einem Gutachten rekonstruierten, dass es das Massengrab geben muss und wo es sich vermutlich befindet.

Zu den Erfolgsausschichten, nach der Suche an 20 verschiedenen Stellen rund um Jamlitz nun endlich das Massengrab zu finden, gibt sich die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten trotz aller Hinweise nun aber zurückhaltend. „Das ist völlig offen“, sagte Stiftungssprecher Horst Seferens. Innenminister Rainer Speer (SPD) sagte: „Keiner weiß sicher, ob wir das Grab diesmal finden. Die Grabungen auf dem Nachbargrundstück im vergangenen Jahr haben aber gezeigt, dass sich hier die beiden sogenannten Schonungsblocks befanden, in deren unmittelbarer Umgebung das Grab sein könnte.“

Die Nationalsozialisten hatten in Jamlitz bis 1945 etwa 8000 Häftlinge des KZ–Außenlagers Lieberose, benannt nach dem „Staatsbahnhof Lieberose“, zum Bau des wenige Kilometer entfernten, riesigen Truppenübungsplatzes Lieberose gezwungen. Die überwiegenden jüdischen Gefangenen waren eingepfercht in Zügen aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nach Jamlitz geschafft worden.

Vor der anrückenden Roten Armee räumte die SS im bitterkalten Februar 1945 das Lager, 1500 Häftlinge wurden auf den Todesmarsch geschickt, auf Befehl von Reichsführer Heinrich Himmler wurden 1342 kranke und gehunfähige KZ-Häftlinge bei zwei Mordaktionen erschossen.

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