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Brandenburg: „Es bleibt eine üppige Versorgung“

Interview mit dem Verfassungsrechtler und Diäten-Experten Hans Herbert von Arnim

Stand:

Herr von Arnim, ist die geplante Brandenburger Diäten-Reform ein Musterbeispiel für Bescheidenheit?

Nein, es bleibt auch danach immer noch eine unangemessen üppige Rundumversorgung für die Abgeordneten, besonders bei den Pensionen. Das passt nicht zur besonderen Lage des Landes mit seiner hohen Arbeitslosigkeit. Die öffentliche Kontrolle wird weitgehend ausgehebelt, vor allem, was die künftigen automatischen Diätenerhöhungen angeht.

Sie sehen die geplante Koppelung der Diäten an die Einkommen der Erwerbsbevölkerung kritisch?

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Diätenentscheidungen des Parlaments einzeln und konkret durch Gesetz getroffen werden müssen, damit öffentliche Kontrolle möglich ist. Die geplante Ankoppelung der Diäten an die Einkommensentwicklung im Land und die der Aufwandspauschalen an die Preisentwicklung, verhindert das gerade. Bei automatischen Erhöhungen kann öffentliche Kontrolle nicht ansetzen. Das ist verfassungswidrig. Das Parlament darf sich nicht der Notwendigkeit entziehen, Erhöhungen von Mal zu Mal durch Gesetz zu beschließen.

Die Parlamentarier feiern sich, weil es Abstriche bei der Altersversorgung geben soll.

Das relativiert sich stark. Nach der Neuregelung soll der Anspruch auf Altersversorgung dem Abgeordneten schon nach dem ersten Parlamentsjahr zustehen, bislang war das erst nach acht Jahren der Fall. Solch einen Anspruch gibt es bislang nur in Hamburg. Dort sind es allerdings 46 Euro monatlicher Rentenanspruch pro Parlamentsjahr, in Brandenburg sollen es 145 Euro sein. Das ist zu hoch. Übrigens führt dies dazu, dass die jetzigen Parlamentarier eine Alterversorgung bekämen, selbst wenn sie bei der nächsten Landtagswahl wieder herausfliegen. Das hat man der Öffentlichkeit bislang verschwiegen.

Dennoch soll der reguläre Renteneintritt erst ab 67 Jahren erfolgen.

Das könnte allenfalls in ganz ferner Zukunft einmal eintreten. Das ändert im Übrigen nichts daran, dass die Altersversorgung üppig bleiben soll. Geplant ist eine Vollversorgung in Höhe von 69 Prozent der Entschädigung, die schon nach einem halben Arbeitsleben (21 Jahre) anfällt und dies schon ab dem 57. Lebensjahr. Es bleibt eine üppige Versorgung, sehr viel schneller, früher und höher als bei Normalverdienern, die alle um ihre Rente bangen müssen. Hinzu kommen großzügige beitragsfreie Invaliditäts-, Hinterbliebenen- und Krankenversorgung.

Aber die Praxis in anderen Ländern ist ähnlich.

Das ändert nichts daran, dass diese Privilegien in der wirtschaftlichen sozialen Lage des Landes nicht mehr zu rechtfertigen sind. Diese Rundumversorgung ist wirtschaftlich gesehen ein hohes, heimliches Zusatzgehalt zu den Diäten von 4399 Euro. Man müsste tausende Euro Beiträge monatlich bezahlen, um eine gleichwertige Versorgung am Markt zu erwerben. Indem der Landtag dies nicht offen ausweist, täuscht er die Öffentlichkeit über die Höhe der Abgeordneten-Bezahlung.

Wäre das NRW-Modell, die Diäten zu verdoppeln, und dafür Pauschalen und Altersversorgung zu streichen, ehrlicher?

Das NRW-Modell geht davon aus, dass Abgeordnete einen Vollzeitberuf ausüben. Genau das ist aber meist nicht der Fall. Und Fraktionsvorsitzende bekommen ohnehin Zuschläge. Bei gehöriger Organisation sind Landtagsmandate Teilzeit-Jobs. Viele Abgeordnete üben parallel ihre Berufe aus. Der Landtagspräsident von Thüringen hat das einmal ganz offen eingestanden. In Baden-Württemberg sind Abgeordnete gleichzeitig hauptamtliche Oberbürgermeister. Es ist ein allgemeiner Trend, dass die Kompetenzen, der Einfluss der Landtage immer mehr zurückgeht.

Was hieße das für Brandenburg?

Mein Petitum wäre: Der Brandenburger Landtag muss sich ehrlicherweise zu einem Teilzeitparlament erklären. Das ist von den Aufgaben her ohne weiteres möglich. In den Aufbaujahren nach 1990 gab es natürlich noch einen erheblichen Nachholbedarf an Gesetzen, auch auf Landesebene. Den gibt es aber inzwischen nicht mehr. Ich will für Brandenburg ja kein Feierabendparlament vorschlagen wie in Stadtstaaten. Die Wege sind einfach größer. Bei einem Teilzeitparlament könnte man die Diäten entsprechend kürzen.

Warum sehen sie die Fahrkosten-Pauschale kritisch?

Die Abgeordneten bekommen die Summe pauschal, auch wenn sie kostenlos mit der Bahn fahren. Das ist nicht gerechtfertigt. Hessen erstattet die Kosten auch nur, wenn der Abgeordnete die Kilometer abrechnet.

Aus dem Landtag wird dagegengehalten, dass dies zu bürokratisch wäre?

Da zeigt sich wieder eine gewisse Abgehobenheit des Parlaments. Jeder andere muss doch auch nachweisen, dass er die Wege gefahren ist. Sonst gibt es keine Erstattung. Warum sollen, wo es jedem Normalverdiener zugemutet wird, Abgeordnete eine Sonderstellung bekommen. In Hessen wird es erfolgreich praktiziert.

Dennoch, die Fraktionen halten Ihnen vor, bei Ihrer Kritik die Brandenburger Verhältnisse nicht gebührend zu berücksichtigen.

Ich kenne die Brandenburger Verhältnisse sehr wohl. Ich war jahrelang in Potsdam Verfassungsrichter. Ein Diätengesetz muss insgesamt stimmig sein. Wenn es zahlreiche Regelungen gibt, die nicht in Ordnung sind, dann muss man sie beseitigen.

Wo steht Brandenburgs Abgeordneten-Versorgung nach der Reform im Vergleich der Länderparlamente?

Die Parteien bilden in Brandenburg eine Art Kartell – und die Parlamente in Deutschland bilden in vielen Punkten auch ein Kartell, damit niemand aus der Reihe tanzt und selbst die tollsten Privilegien ganz normal erscheinen. Es gibt aber keine Gleichheit im Unrecht.

Das Interview führte Thorsten Metzner

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