Brandenburg: Es gibt „juristische Angriffspunkte“
Experte hält Brandenburger Entwurf zum Versammlungsgesetz aber für verfassungskonform
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Potsdam - Der Entwurf der Landesregierung für ein neues Versammlungsgesetz ist nach Auffassung eines Experten verfassungskonform. Allerdings enthalte der Entwurf auch juristische Angriffspunkte, sagte Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität Berlin gestern bei einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Das Bundesinnenministerium sah sich durch die Bewertung des Experten grundsätzlich bestätigt. Der Entwurf sei nicht verfassungswidrig und könne damit Ende Oktober im abschließend im Parlament behandelt werden, sagte Staatssekretär Hans-Jürgen Hohnen.
Mit dem neuen Versammlungsgesetz sollen Neonazi-Aufmärsche an Gräberstätten wie dem größten deutschen Soldatenfriedhof in Halbe verboten werden. Es soll möglichst noch im Oktober vom Parlament verabschiedet werden, weil Rechtsextremisten für den 18. November erneut eine Kundgebung am Waldfriedhof in Halbe angemeldet haben.
Battis kritisierte, der Entwurf hebe stark auf den Schutz der Würde der Opfer ab. Die Frage sei, wie lange nach dem Tod der Opferschutz noch eine tragende Rolle spielen könne. Seiner Ansicht nach muss vielmehr der Schutz des friedlichen Zusammenlebens betont werden. Zur Verhinderung von Friedensverletzungen sei sogar eine Ausdehnung des Gesetzes auf Straßen denkbar, die nicht unmittelbar an die Gräberstätten grenzen. In dem Entwurf heißt es, öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel seien auf Gräberstätten sowie in deren „unmittelbarer und engen räumlichen Nähe“ verboten. Für den Waldfriedhof Halbe wird ein konkreter Schutzbereich festgelegt. Dieser umfasst den Friedhof selbst, die ihn umgebenden Straßen und den Friedhofsvorplatz. Aus Sicht von Battis wäre ein besseres Gesetz möglich. Zugleich betonte er aber: „Ich sage nicht, dass man es nicht so machen kann.“ Der Entwurf sei „prinzipiell akzeptabel“. Dennoch bewege sich Brandenburg auf unsicherem Terrain, denn das Bundesverfassungsgericht werde erst 2007 eine grundsätzliche Entscheidung zum Gedenkstättenschutz fällen.
Bislang sei die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zwar kaum in Frage gestellt worden, fügte der Staatsrechtler hinzu. So hätten die Verfassungsrichter bereits zwei Mal vorläufig Neonazi-Aufmärsche am Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im fränkischen Wunsiedel verboten. Doch gebe es eben noch kein abschließendes Urteil, das mehr Rechtssicherheit bieten würde.
Ausdrücklich positiv bewertete Battis, dass das Gesetz vom Parlament und damit vom gewählten Verfassungsorgan beschlossen werden soll. Das habe eine hohe Bedeutung und sei auch ein Signal an das Bundesverfassungsgericht.
Battis befürwortete auch eine Idee des SPD-Abgeordneten Christoph Schulze, über eine Änderung des Landesverfassung nachzudenken. So könnten ohne eine aufwändige Grundgesetzänderung neonazistische Aktivitäten auf Landesebene eingeschränkt werden.
Hohnen unterstrich, das Versammlungsrecht sei heikel. Es sei in den vergangenen Jahren stets nur partiell geändert worden. Mit dem neuen Entwurf solle verhindert werden, dass 23 000 Kriegsopfer auf dem Waldfriedhof in Halbe politisch missbraucht werden. Die Anhörung habe gezeigt, dass der Gesetzentwurf dafür geeignet sei. ddp
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