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Brandenburg: Es klappt nicht

Die beteiligten Firmen schweigen, die Flughafengesellschaft dementiert. Doch die hochkomplexe Brandschutzanlage des BER arbeitet weiterhin fehlerhaft

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Potsdam/Berlin - Die Verantwortlichen für den Bau des neuen Flughafens BER in Schönefeld waren am Mittwoch hörbar bemüht, den Ball flach zu halten. Wie so oft in den vergangenen Monaten, Wochen und Tagen sprachen sie bei Negativmeldungen über den Stand der Arbeiten und die Konsistenz ihres Bauzeitplanes von Spekulationen. So auch am Mittwoch, wenn es um die laut Aufsichtsratskreisen noch immer enormen Probleme und unabsehbaren Risiken mit der Brandschutzanlage am Flughafen geht. Flughafensprecher Ralf Kunkel nannte einen entsprechenden Bericht der PNN darüber: „Spekulation“.

Allerdings haben sich die angeblichen Spekulationen in Sachen BER meist bewahrheitet: Der Flughafen wurde nicht im Juni 2012, sondern wird – allerfrühestens – im März 2013 eröffnet. Und Kunkel musste auch einräumen, dass wie berichtet bei Tests der Entrauchungsanlage Absaugkanäle implodierten.

Die am Bau der hochkomplizierten Brandschutzanlage am noch immer künftigen Flughafen beteiligten Firmen – Bosch, Imtech und Siemens – wollten sich am Mittwoch zum Stand der Arbeiten nicht äußern. Die Flughafengesellschaft wies dagegen den PNN-Bericht zurück, wonach die Anlage umgebaut werden müsse, falls ein großer Test Ende des Monats misslingen sollte. Die von den PNN dazu befragten Personen aus Aufsichtsratskreisen blieben allerdings bei ihrer Darstellung, dass bei einem erneuten Versagen der Anlage unter Volllast die gesamte Anlage und damit auch ein Grundkonzept des Flughafenbaus – nämlich die unterirdische Entrauchung im Brandfall – infrage gestellt werden muss. Dies würde zu erheblichen Mehrkosten und zum erneuten Verschieben des Eröffnungstermins führen. Dann müssten im Extremfall auch die Statik und der Innenraum des Flughafengebäudes geändert werden: Auf das Dach müssten Absauganlagen und Turbinen montiert und im Inneren des Gebäudes vertikale Ent- und Belüftungsanlagen untergebracht werden.

Klarheit wird laut Flughafengesellschaft spätestens am 16. August erwartet. Dann soll der neue Technikchef Horst Amann, der auch für den Ausbau des Flughafens zuständig sein wird, dem Aufsichtsrat mitteilen, ob der gesetzte Termin 17. März 2013 zu halten sein wird. Allerdings findet der Volllasttest der Be- und Entlüftungs- und der Brandschutzanlage schon Ende Juli statt.

Amann, derzeit beim Flughafen Frankfurt (Main) angestellt, bezieht offiziell am 1. August sein neues Büro in Schönefeld. Aber schon jetzt arbeitet er sich in das Projekt ein. Tageweise sei er bereits in Berlin, und außerdem habe er ein Büro mit „Vorrecherchen“ beauftragt, sagte Flughafenchef Rainer Schwarz.

Knackpunkt bleibt die Brandschutzanlage, die nach Angaben des Flughafens zu den weltweit größten gehört. Der Einbau der Geräte und das Legen der Kabel ist nach Angaben des amtierenden Projektleiters Joachim Korkhaus zu 97 Prozent abgeschlossen – weit nach dem geplanten Eröffnungstermin des Flughafens; Tests müssten jetzt zeigen, dass auch die Steuerung funktioniert.

Dies hat bei den Probeläufen Ende des vergangenen Jahres nicht geklappt. So war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass zur zunächst geplanten Eröffnung am 3. Juni kein vollautomatischer Betrieb möglich sein würde. Die Planer wollten sich mit einer – von ihnen so genannten – Mensch-Maschinen-Schnittstelle über die Zeit retten: Hunderte gesondert eingestellte Hilfskräfte sollten von Hand die bei einem Feuer vorgesehenen Schaltungen einleiten und auch manuell Türen und Klappen öffnen oder schließen. Dafür waren sogar zusätzliche Einbauten vorgenommen worden. Erst nachdem die Genehmigungsbehörde – der Landkreis Dahme-Spreewald – klargemacht hatte, dass sie dieses System nicht akzeptiere, kam es zur Terminverschiebung.

Installiert sind unter anderem 16 000 Brandmelder und über 50 000 Sprinklerköpfe. In den kilometerlangen Zu- und Abluftkanälen wurden 3400 Klappen eingebaut. 81 Ventilatoren blasen oder saugen Luft oder Rauch an und ab. 3,4 Millionen Kubikmeter Luft soll die Anlage in der Stunde schaffen, damit innerhalb von 15 Minuten über dem Boden eine Höhe von 2,50 Meter rauchfrei ist. Alle Einbauten, zu denen auch über tausend Lautsprecher gehören, müssen so geschaltet sein, dass sie auf rund 300 verschiedene Brandszenarien unterschiedlich reagieren können. Dieses Zusammenspiel hat bisher nicht geklappt – auch nicht beim vorgesehenen „Mensch-Maschinen-System.“ Durch zahlreiche Nachbesserungen sei die Fehlerquote aber geringer geworden, versicherte Korkhaus. Wie hoch sie aber bei normalen Einzeltests, die nicht die große Katastrophe simulieren, noch immer ist, blieb unklar. Flughafensprecher Kunkel sprach davon, dass nach aktuellen Informationen der beteiligten Firmen die Brandschutzanlage zum Jahreswechsel einem sogenannten Wirkverbundtest unterzogen und von Sachverständigen abgenommen werden solle. Die Einzelteile der Brandschutzanlage würden laufend getestet. Im Frühjahr sei beispielsweise ein Brand im künftigen Duty-Free-Shop simuliert worden. Ein Feuer dort wäre wegen des gelagerten Alkohols mit dem Brand von sieben Autos vergleichbar. Die Anlage habe bei dem Test funktioniert. Zum Volllasttest am Monatsende, bei dem ein Katastrophenszenario und kein einfacher Brand im Shoppingbereich simuliert wird, sagte er nichts.

Dass ein Großteil des Rauches bei einem Brand durch unterirdische Kanäle ins Freie geleitet werde, sei kein Problem, so Kunkel. Aus dem Aufsichtsrat war, wie berichtet, aber verlautet, dass der hierfür erforderliche Aufwand die Schwierigkeiten verschärft habe. Angaben von Insidern, damit sei auch der nun vorgesehene Termin für die Flughafen-Eröffnung, der 17. März 2013, nicht mehr zu halten, bezeichnete Kunkel als – Spekulation.

Er bestätigte aber, dass bisher bei Tests zwei Kanäle implodiert seien. Wegen der nicht funktionierenden Steuerung seien Klappen falsch gestellt worden, wodurch es einen Unterdruck gegeben habe. Nach Kunkels Angaben arbeitet die Anlage nach dem Stand der Technik. Für den Flughafen habe man nichts Neues erfunden. Allerdings seien die Einbauten „maßgeschneidert“; von der Stange könne man eine solche Anlage nicht kaufen. Ein Flughafenplaner wurde gegenüber den PNN deutlicher: „Die Einzelkomponenten gibt es am Markt, das ist ja normal. Aber das System als solches und das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten und die Steuerungssoftware dafür gab es bisher nicht. Das wurde extra entwickelt – und funktioniert offensichtlich bis heute eben nicht fehlerfrei.“ Klaus Kurpjuweit, Peter Tiede

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