Brandenburg: „Es könnte höchstens noch fliegen“
Bis 1944 wurde der VW Typ 166 gut 14 000 Mal gebaut. Heute gibt es weltweit noch 500 Exemplare des schwimmfähigen Militärfahrzeugs mit Allradantrieb. Ohne Thomas Neumann aus Spremberg wären viele Sammler aufgeschmissen
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Spremberg - Erst im März hat Thomas Neumann mit seinem VW Typ166 in Marokko das Atlasgebirge durchkreuzt und ist in der Sahara über Staubpisten gebrettert, jetzt ist sein seltener Oldtimer ein Fall für die Werkstatt. Das Getriebe streikt. Vor ihm auf der Werkbank liegen mehrere ölglänzende Wellen und Zahnräder. „Natürlich wurmt mich das“, räumt der 49-jährige Spremberger ein. Nur zu gut, dass Neumann nicht auf fremde Hilfe angewiesen ist. Er ist weltweit einer der wenigen Fachmänner für den legendären VW Schwimmwagen, einen Mitte 1940 auf Wunsch des deutschen Generalstabs des Heeres entwickelten Geländewagen, der zudem mit bis zu zehn Kilometer pro Stunde auch auf Wasser fahren kann. Dass es heute vielleicht noch 500 fahr- und schwimmtüchtige Exemplare gibt, ist unter anderem Thomas Neumann zu verdanken. Mit seiner Firma Fahrzeugbau Neumann GmbH & Co. KG versorgt er Sammler in der ganzen Welt mit Ersatzteilen.
Spezialisiert ist Neumann auf Karosserieteile. Zuletzt hat er eine größere Bestellung für einen Typ166-Fan in Kairo verpackt. Aber auch nach Kanada, Indochina oder Australien hat der Kfz-Mechaniker- und Karosseriebaumeister bereits geliefert. Wenige Meter von seinem eigenen sandfarbenen Schwimmwagen entfernt schweißt einer seiner Mitarbeiter an einem blitzenden Metallskelett herum, während ein anderer Kollege vorsichtig mit einem Gummihammer einen Bogen in ein Blech treibt. Vor rund einem Jahr hat der Kunde aus Deutschland bei Neumann eine komplette Typ166-Karosserie bestellt. Demnächst soll sie fertig sein. Der Preis? „Rund 38 000 Euro“, schätzt der Firmenchef. Alternativen gibt es für Schwimmwagen-Sammler kaum. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das meiste Militärgerät zerstört worden, der Rest sei irgendwo verrottet. Einigermaßen intakte Karosserien seien so gut wie gar nicht mehr aufzutreiben, berichtet Neumann. „Sie bekommen keine Ersatzteile. Was Sie bekommen, ist eine Tafel Blech. Da können Sie versuchen, mit einem Hammer ein Kotflügel draus zu machen.“
Bis auf einige Teile, die sich maschinell nicht in die gewünschte Form pressen lassen, ist Neumann über die Phase des mühsamen Nachbiegens und Zurechtdängelns längst hinaus. Neumanns Zauberformel heißt „Reverse Engineering“. Gemeint ist die maschinelle Rekonstruktion von Bauteilen auf Grundlage ihrer digitalen Beschreibung. Rund 95 Prozent aller Karosserieteile des Typ166 hat der Spremberger nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren mittels der sogenannten Streifenlichtprojektion digital vermessen lassen. Einige Hundert Teile hat Neumann mittlerweile auf Lager.
Dem Schwimmwagen verfallen ist der Oldtimer-Sammler mehr oder weniger aus Langeweile. Nach seiner Ausbildung hatte Neumann Ende 1997 den elterlichen Betrieb, ein Ford-Autohaus in Spremberg, übernommen, sich aber recht bald nach der Arbeit an der Werkbank gesehnt. „Alles lief in geregelten Bahnen, außer immer neue Autohäuser zu eröffnen, fehlte mir die Herausforderung“, erzählt er. Kurzerhand schnappte sich Neumann ein paar halb verrostete Typ166-Teile, die ihm einige Jahre zuvor ein Sammler aus Spremberg angeboten hatte, und begann 1999 mit der Restaurierung seines Schwimmwagens. Bei Stuttgart habe er damals ein Karosseriefragment erstanden, wie Neumann betont. Außerdem wurde er Mitglied in der Deutschen Interessengemeinschaft Schwimm- und Geländefahrzeuge, einem Verein mit weltweit rund 200 Mitgliedern. Als Mitglieder im Laufe der Zeit dann die „ersten sichtbaren Erfolge“ bestaunen konnten, trudelten die ersten Anfragen ein. Für Neumann tat sich ein neues Geschäftsfeld auf, aus einem Hobby wurde 2006 eine zweite Firma, bei der am Ende auch noch etwas Geld übrig bleibe, so Neumann. Der Spaß steht für den Oldtimer-Fan aber nach wie vor im Vordergrund – und die Faszination. „Mich interessiert vor allem die technische Seite: ein Auto, das fährt, schwimmt und geländegängig ist. Mehr geht eigentlich nicht. Es könnte höchstens noch fliegen“, sagt Thomas Neumann und lacht.
Entwickelt wurde der Typ166 auf der Grundlage des VW-Kübelwagens, der wiederum seinen Ursprung im von Adolf Hitler geforderten Volksauto hat. Angetrieben wird der Schwimmwagen laut Neumann mit einem „ganz normalen Käfermotor“, einem Vierzylinder Boxermotor mit einer Leistung von 25 PS. Der Prototyp wurde bei Porsche gebaut. In Serie wurde der Typ166 ab 1942 im Volkswagenwerk in Fallersleben gefertigt. Bis 1944 entstanden 14 276 Exemplare.
Mit seinem eigenen Schwimmwagen fährt Neumann am liebsten in unberührte Natur, stellt mit anderen Sammlern Touren durch Norwegen oder Tunesien zusammen. Insgesamt sei er vielleicht bereits um die 24 000 Kilometer unterwegs gewesen. Mit Militarismus habe seine Leidenschaft nichts zu tun. „Mich würde der Schwimmwagen auch faszinieren, wenn es ein Feuerwehrfahrzeug gewesen wäre“, versichert Neumann.
www.vwschwimmwagen.de
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