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Brandenburg: Es war einmal ein Hort der Toleranz

zum Bruch des Kirchenasyls Es geht, mal wieder, um Brandenburgs Ruf. Dominieren hier Skepsis und Feindseligkeit gegenüber Menschen nicht-deutscher Herkunft – oder setzt sich allmählich doch das Bemühen durch, an die positiven Seiten der märkischen Geschichte anzuknüpfen, zum Beispiel an die einst geübte Toleranz gegenüber den aus Frankreich eingewanderten Hugenotten?

Von Frank Jansen

zum Bruch des Kirchenasyls

Es geht, mal wieder, um Brandenburgs Ruf. Dominieren hier Skepsis und Feindseligkeit gegenüber Menschen nicht-deutscher Herkunft – oder setzt sich allmählich doch das Bemühen durch, an die positiven Seiten der märkischen Geschichte anzuknüpfen, zum Beispiel an die einst geübte Toleranz gegenüber den aus Frankreich eingewanderten Hugenotten? Der von der Polizei erzwungene Bruch des im Pfarrhaus Schwante gewährten Kirchenasyls für den Vietnamesen Xuan Khang Ha und seinen fünfjährigen Sohn Minh Duc ist einer der Fälle, die Brandenburgs Image für lange Zeit negativ prägen könnten. Das scheint auch Ministerpräsident Matthias Platzeck zu spüren. Er will diese Woche mit dem Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber, über das Schicksal des untergetauchten Asiaten und seines Kindes sprechen. Es geht dann auch um die Reputation der SPD. Der sozialdemokratische Landrat des Kreises Oberhavel, Karl-Heinz Schröter, hat die Razzia im Pfarrhaus angeordnet, um die Abschiebung von Xuan Khang Ha und des kleinen Minh Duc durchzuboxen.

Schröter weiß das Recht auf seiner Seite. Der Asylantrag des Vietnamesen wurde abgelehnt, juristisch ist die Abschiebung nun geboten. Doch die Kirchen können von Flüchtlingen berichten, die nach der Abschiebung in ihrer Heimat Repressalien ausgesetzt waren, bis hin zu Folter und Todesstrafe. Auch Xuan Khang Ha droht wegen seines Engagements in zwei exilvietnamesischen Vereinen ein übler Empfang schon am Flughafen in Hanoi. Das kommunistische Regime duldet keine Opposition, die Lage der Menschenrechte ist und bleibt prekär.

Da befindet sich unser Rechtsstaat in der Klemme. Seine Gesetze sind demokratisch begründet, doch kann ihre Anwendung dazu führen, dass ein Mensch undemokratischen Zuständen ausgeliefert wird. Dies sollte demokratischen Politikern nicht gleichgültig sein. Schon gar nicht in Brandenburg. Innenminister Jörg Schönbohm beklagt häufig, Ostdeutschland sei in der Zeit der SED-Diktatur „entchristlicht“ und „entbürgerlicht“ worden. Die Brutalitäten rechter Schläger, wie der extrem grausame Mord an dem 17-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow, sind nur ein Beispiel. Da wäre ein Akt demonstrativer Nächstenliebe gegenüber einem alleinerziehenden vietnamesischen Vater und seinem fünfjährigen Sohn gewiss besser geeignet, christliche und demokratische Werte zu vermitteln, als stures Beharren auf law-and-order. Dies wäre auch unpopulär. Im Sommer 2001 haben ausgerechnet in dem als rechte Hochburg verschrieenen Guben zahlreiche Einwohner verhindert, dass eine vietnamesische Familie das Kirchenasyl verlassen und zwangsweise in ihre Heimat zurückkehren musste. Platzeck und Schönbohm haben es in der Hand: Ein respektvoller Umgang mit dem Kirchenasyl könnte Brandenburg dem einstmals genossenen Ruf, ein Hort der Toleranz zu sein, endlich wieder näher bringen.

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