
© TMB-Fotoarchiv/Steffen Lehmann
Brandenburg: Es waren einmal fünf Schlösser
Mehr als Wanderungen: Ein neues Berlin-Brandenburg-Buch begibt sich auf die Spuren Fontanes und erzählt die ganz besonderen Geschichten seiner „Fünf Schlösser“
Stand:
Man kennt die Geschichten verschwundener Schlösser. Aus Ostpreußen. Aus Pommern. Manchmal blieb eine Mauer, manchmal eine besonders dicke Eiche, an der Nachkommen oder Hobbyforscher die Spuren aufnehmen konnten, nachdem der Krieg, die Flammen oder die sowjetischen Sieger zuvor ihre Arbeit verrichtet hatten.
Auch Berlin hat so ein verschwundenes Schloss, aber hier waren weder Krieg noch Flammen noch sowjetische Besatzer am Werk, sondern einfach nur der Zahn der Zeit, Geldnot und die US-Armee: Nachdem sie das Jagdschloss Dreilinden genutzt hatte, war der Abriss nicht mehr fern. Was war passiert? Und wann? Und warum musste es soweit kommen?
Es sind ganz einfache Fragen, die der Berliner Historiker Robert Rauh und sein Co-Autor Erik Lorenz stellen, aber die Antworten lesen sich mitunter spannend wie ein Krimi oder zumindest wie ein Detektivroman, denn ohne geradezu detektivische Akribie wären die beiden Autoren nicht weit gekommen mit ihrem Versuch, Fontanes großes Werk „Fünf Schlösser“ fortzuführen. Denn darum ging es: Den fontaneschen Faden von 1888 aufzunehmen und den Weg bis heute nachzuzeichnen – über zwei Weltkriege, die DDR-Zeit und die deutsch-deutsche Wende hinaus bis zum heutigen Tag.
Wobei Fontane im Grunde kein Schlösserbuch geschrieben hatte, sondern vielmehr die Geschichte seiner Bewohner nachzeichnete. Die Schlösser selbst dienten nur als „topografischer Zugriff“, wie es Rauh erklärt, der sich in Berlin auch einen Namen als ausgezeichneter Lehrer und Schulbuchautor sowie Moderator der Schlossgespräche Schönhausen gemacht hat.
Und so liefern auch Rauh und Lorenz keine architektonischen Betrachtungen ab, sondern erzählen – höchst unterhaltsam und kenntnisreich –, wie sich die deutsche Geschichte mitsamt Zwangskollektivierung und Enteignung so lange in den Schlössern widerspiegelte, bis es schließlich nur noch um die Frage ging, ob die Bausubstanz zu retten sein würde.
In zwei Fällen ist diese Frage inzwischen klar mit „Ja“ beantwortet: Liebenberg im Landkreis Oberhavel glänzt als mondänes Hotel, das benachbarte Hoppenrade wurde ebenfalls perfekt renoviert. Es ist zwar in privater Nutzung, aber der Park ist für jedermann offen. Womit man bereits bei einem weiteren Verdienst der Autoren Rauh und Lorenz wäre: Sie haben parallel zu ihren Recherchen und Fahrten zu den Schlössern eine Website angelegt, auf der sich jeder informieren kann, der auf den Spuren der Schlösser unterwegs sein möchte.
Da gibt es nicht nur die Adressen und – soweit öffentlich zugänglich – Öffnungszeiten, sondern auch Tipps für alle, die in der Nähe einkehren oder weitere Sehenswürdigkeiten ausfindig machen möchten. Außerdem kann man sich anhand der Fotos schon einmal einstellen auf das, was einen vor Ort erwartet.
Und das ist nicht immer erfreulich. Denn eines der Schlösser ist nur noch ein Schatten seiner selbst: Wer sich den Weg zum morbiden Quizöbel bahnt, kann schon mal mannshohe Brennnesseln ins Gesicht bekommen, bevor er dann vor einem Gemäuer steht, das schwerlich als „Schloss“ durchgehen kann. Rauh und Lorenz beschreiben, welch eigenartigen Bewohner sie dort vorfinden, der den aussichtslosen Kampf gegen den Verfall des Gebäudes noch führt, obwohl er keine Chance hat, ihn zu gewinnen. Und dennoch lohnt ein Besuch Quizöbels – allein schon wegen der nahen Kirche, von deren Turm aus einst Fontane die Umgebung beschrieb und in deren Innern noch Bezüge zu den einstigen Schlossherren, den von Jagows, zu finden sind.
Verfall ist auch in Plaue zu sehen – allerdings gibt es hier immerhin Aussicht auf eine erfolgreiche Renovierung. Schon kann man im Erdgeschoss, wo ein Restaurantbetrieb eingezogen ist, wieder Feste feiern – mit Blick auf die Havel.
Was? Wann? Warum? Rauh und Lorenz stellten diese Fragen immer wieder. Manchmal fanden sie leicht Antwort, manchmal mussten sie bis nach Argentinien telefonieren, und einmal baten sie die Zeitung um Hilfe: Da ging es um das Schloss Dreilinden, von dessen Existenz der Normalberliner nichts mehr weiß und nur noch den Namen kennt – als Bezeichnung der gleichnamigen Raststätte „Dreilinden“ vielleicht oder als Name eines Zehlendorfer Gymnasiums. Vor der eigentlich sehr einfach erscheinenden Frage, wann und warum das Schlösschen des Prinzen Friedrich Karl abgerissen wurde, kapitulierten mehrere Instanzen, bis die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dieser Zeitung den entscheidenden Hinweis gab. Und so wurde im Landesdenkmalamt die „Akte Dreilinden“ ausgegraben, und die Wahrheit kam ans Licht: Das schnöde Geld war es, das fehlte. Die Abrissbagger kamen im Herbst 1954.
Ausflugstipps zum Buch und mehr: www.fontanes-schlösser.de
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